Am heutigen Freitag wurde der Friedensnobelpreis an die japanische Organisation Nihon Hidankyo verliehen – eine Vereinigung der Überlebenden der US-Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Der Preis würdigt ihren jahrzehntelangen Einsatz gegen Atomwaffen. Die Wahl des norwegischen Nobelkomitees zeigt eine deutliche Botschaft: Der Einsatz dieser Überlebenden ist heute nötiger denn je, da das Tabu über den Einsatz von Atomwaffen zunehmend bröckelt.
Jørgen Watne Frydnes, der Vorsitzende des Nobelkomitees, betonte in seiner Rede, dass der Preis allen Überlebenden gewidmet sei, die trotz ihrer physischen und seelischen Leiden ihre Erfahrungen nutzen, um Hoffnung und Engagement für den Frieden zu fördern. Es sei bemerkenswert, wie diese Menschen – trotz ihrer Traumata – die Welt wachgerüttelt und zum Handeln inspiriert haben. Doch die Frage bleibt: Hört die Welt zu?
Die Unvergänglichkeit des nuklearen Schreckens
Der Atomangriff auf Hiroshima und Nagasaki 1945 hat eine Narbe hinterlassen, die nie vollständig verheilen wird. Über 200.000 Menschen verloren ihr Leben, und Tausende litten an den verheerenden Spätfolgen der Strahlung. Die Überlebenden, bekannt als Hibakusha, haben die Qualen der nuklearen Zerstörung am eigenen Leib erfahren – und genau diese Erfahrung steht im Zentrum der Arbeit von Nihon Hidankyo.
Ihre Botschaft ist eindeutig: Atomwaffen müssen aus der Welt geschafft werden. Ihr persönliches Zeugnis ist kraftvoller als jede Theorie über nukleare Abschreckung oder Sicherheitspolitik. Ihre Worte, die von Verlust, Schmerz und Angst zeugen, lassen keinen Raum für Rechtfertigungen. Und doch stehen wir im Jahr 2024 vor einer Realität, in der Atomwaffen immer noch ein fester Bestandteil globaler Machtpolitik sind.
Ein Nobelpreis inmitten globaler Konflikte
Die diesjährige Verleihung des Friedensnobelpreises fällt in eine Zeit, in der der Ruf nach Frieden lauter nicht sein könnte – während Kriege auf mehreren Kontinenten toben. Im Nahen Osten, in der Ukraine und im Sudan wütet Gewalt, und die Gefahr einer Eskalation in anderen Regionen ist allgegenwärtig. Diese Konflikte werfen die Frage auf: Warum fällt es der Menschheit so schwer, aus ihrer Vergangenheit zu lernen?
Alfred Nobel selbst, der den Preis gestiftet hat, wünschte sich, dass er an diejenigen verliehen wird, die am meisten zur „Brüderlichkeit unter den Nationen“ beitragen und für die „Abschaffung oder Reduktion stehender Heere“ kämpfen. Nihon Hidankyo folgt genau dieser Linie – der Traum von einer Welt ohne Atomwaffen ist ein Streben nach echter internationaler Brüderlichkeit.
Ein Vermächtnis der Hoffnung
Es ist nicht das erste Mal, dass der Nobelpreis an Aktivisten für eine atomwaffenfreie Welt geht. Bereits 2017 erhielt die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) den Preis, und 1995 wurden Joseph Rotblat und die Pugwash-Konferenzen für ihre Bemühungen ausgezeichnet, Atomwaffen aus der internationalen Politik zu verbannen. All diese Preisträger haben eines gemeinsam: Sie kämpfen gegen die Normalisierung des Unvorstellbaren – die Vernichtung der Menschheit durch Nuklearwaffen.
Auch die Wahl von Nihon Hidankyo setzt dieses Vermächtnis fort. Doch was macht diesen Moment besonders? Warum ist diese Ehrung gerade jetzt von so großer Bedeutung? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Bedrohung ist zurück, und sie ist real. In den letzten Jahren haben zahlreiche Staaten ihre Atomwaffenprogramme weiterentwickelt oder modernisiert. Die Spannungen zwischen Nuklearmächten wie den USA, Russland und China haben zugenommen. Friedensinitiativen? Fehlanzeige.
Ein teurer, aber lohnenswerter Kampf
Die Überlebenden der Bombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki zahlen einen hohen Preis für ihren Einsatz. Sie kämpfen nicht nur gegen das Vergessen, sondern auch gegen das Verdrängen. Ihre Erlebnisse rufen unweigerlich die Frage auf: Wie kann eine Welt, die solche Schrecken überlebt hat, immer noch an diesen Waffen festhalten? Doch Nihon Hidankyo gibt nicht auf – und genau das macht diese Organisation so bemerkenswert. Sie repräsentieren nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
Im letzten Jahr wurde der Friedensnobelpreis an die inhaftierte iranische Aktivistin Narges Mohammadi verliehen. Sie erhielt den Preis für ihren Einsatz für Frauenrechte, Demokratie und gegen die Todesstrafe. Ihre Auszeichnung stand symbolisch für die Hunderttausenden, die gegen die diskriminierenden und unterdrückenden Gesetze des iranischen Regimes protestierten. Auch das war ein starkes Zeichen: Es zeigt, dass der Nobelpreis nicht nur für vergangene Verdienste steht, sondern auch für den unerschütterlichen Willen, die Gegenwart und Zukunft zu verbessern.
Ein Preis voller Verantwortung
In diesem Jahr wurde sogar spekuliert, ob der Preis überhaupt verliehen werden sollte – angesichts der zahlreichen Konflikte und der allgemeinen Unsicherheit in der Welt. Doch gerade jetzt ist es entscheidend, Menschen zu ehren, die trotz allem für den Frieden kämpfen. Die Vergabe des Friedensnobelpreises an Nihon Hidankyo ist nicht nur eine Anerkennung ihrer Verdienste, sondern auch eine Erinnerung an die Verantwortung, die wir alle tragen.
Denn während Konflikte und Kriege weltweit wüten, sind es Organisationen wie Nihon Hidankyo, die uns daran erinnern, was auf dem Spiel steht. Ihre Arbeit zeigt uns, dass Frieden nicht nur ein Zustand ist, den man erreicht, sondern ein fortwährender Prozess, den man immer wieder verteidigen muss.
Die Vergabe des Preises in Oslo, wie es Alfred Nobel in seinem Testament festgelegt hat, verleiht dem Moment zusätzliches Gewicht. Es erinnert uns daran, dass Frieden nicht von alleine kommt – er muss gewollt und erkämpft werden. Nihon Hidankyo zeigt uns, dass es möglich ist, selbst in den dunkelsten Momenten der Geschichte Hoffnung zu finden.
Das wahre Vermächtnis der diesjährigen Preisverleihung bleibt der unaufhörliche Kampf gegen Atomwaffen und für eine friedliche Zukunft. Denn wer könnte mehr Recht auf diese Ehrung haben als diejenigen, die den nuklearen Albtraum selbst durchlebt haben?
MAB
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