Die Fronten in der Ukraine sind weiter verhärtet, der Krieg scheint kein Ende zu nehmen – und der Westen rüstet sich auf einer anderen Ebene: wirtschaftlich. Während Russland den vereinbarten Waffenstillstand ignoriert, plant die Europäische Union gemeinsam mit ihren Verbündeten ein neues Sanktionspaket. Der 17. Sanktionsschlag gegen Moskau steht vor der Tür. Doch welche Maßnahmen stehen diesmal auf dem Plan? Und können sie überhaupt noch Wirkung zeigen?
Die Jagd auf die „Geisterflotte“ beginnt
Ein Begriff wie aus einem Spionagethriller – und doch ganz real: Russlands sogenannte „Geisterflotte“ umfasst hunderte Schiffe, die unter falscher Flagge unterwegs sind, um internationale Sanktionen zu umgehen. Sie transportieren vor allem Öl, das in Drittstaaten verkauft wird – oft völlig unbemerkt von der internationalen Gemeinschaft.
Nun will die EU diese Taktik durchkreuzen. Die Zahl der sanktionierten Schiffe soll sich verdreifachen – von 100 auf über 300. Diese Maßnahme muss zwar noch formell bestätigt werden, doch die Weichen sind gestellt.
Auch Großbritannien legt nach: 100 verdächtige Schiffe sind dort bereits sanktioniert, ihnen droht die Festsetzung in britischen Hoheitsgewässern. Premierminister Keir Starmer spricht Klartext: „Wir tun alles, um die Geisterflotte zu zerstören und Russland seiner Öleinnahmen zu berauben.“ Stolze 18 Milliarden Pfund – so viel russisches Öl soll seit Anfang 2024 allein durch diese Flotte geschleust worden sein.
Öl wird zur Achillesferse Moskaus
Und genau hier setzt der nächste Hebel an: die russischen Ölkonzerne. Deren Gewinne sind eine tragende Säule für die Kriegsmaschinerie des Kreml. Das Ziel? Russland soll gezwungen werden, sein Öl unter Marktwert zu verkaufen – eine wirtschaftliche Kehrtwende mit drastischen Folgen.
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot spricht gar von „verheerenden Sanktionen“. Besonders pikant: Im Gespräch ist ein Strafzoll von 500 Prozent auf russisches Öl sowie auf Länder, die es weiterhin importieren. Das wäre ein echter Paukenschlag – mit möglichen Nebenwirkungen.
Denn Länder wie Ungarn oder die Slowakei sind weiterhin stark von russischer Energie abhängig. Für sie könnte dieser Schritt teuer werden – neue Bezugsquellen kosten Geld, Zeit und politische Überzeugungskraft.
Asiatische Banken im Visier
Ein bislang eher vernachlässigter Aspekt kommt nun ebenfalls auf den Tisch: die Rolle asiatischer Finanzinstitute. Viele von ihnen sind nach wie vor an das internationale Zahlungssystem SWIFT angeschlossen und helfen Russland, Sanktionen zu umgehen.
Zukünftig sollen genau diese Banken verstärkt ins Visier genommen werden. Denn die Sanktionen des Westens haben eine bemerkenswerte geopolitische Dynamik ausgelöst – Russland orientiert sich zunehmend Richtung Osten. China, Indien, selbst kleine südostasiatische Länder bieten eine wirtschaftliche Brücke, über die Moskau wieder Tritt fassen will.
Doch diese Brücke beginnt zu wackeln. Noch ist unklar, wie die neuen Maßnahmen gegen asiatische Banken genau aussehen sollen – doch allein die Andeutung setzt Signale.
Der Milliarden-Schatz im Wartestand
Eine der brisantesten Fragen bleibt weiterhin offen: Was geschieht mit den eingefrorenen russischen Vermögenswerten in der EU? Diese Gelder – teilweise in Milliardenhöhe – liegen seit Kriegsbeginn auf Eis. Bisherige Überlegungen, sie direkt für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden, stießen auf rechtliche Bedenken.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält den aktuellen Weg für sinnvoller: Statt die Gelder direkt zu nutzen, schöpft man die Zinsen ab, um Hilfsmaßnahmen für die Ukraine zu finanzieren. Ein kluger Schachzug oder doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Polen zeigt sich optimistischer: Finanzminister Andrzej Domanski glaubt, dass der politische Wille wächst, dieses Kapital doch noch anzuzapfen. Die Diskussion wird intensiver – und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis ein rechtlicher Rahmen gefunden wird.
Ein wirtschaftlicher Marathon – kein Sprint
Die neuen Sanktionen zeigen: Der Westen hat seinen wirtschaftlichen Hebel noch lange nicht ausgeschöpft. Doch wie viel Wirkung können sie noch entfalten? Russland hat sich über Jahre hinweg auf Isolation vorbereitet, seine Wirtschaft angepasst und neue Allianzen geknüpft.
Trotzdem: Die Strategie bleibt klar. Schritt für Schritt, Maßnahme für Maßnahme soll Moskau wirtschaftlich ausgebremst werden. Und vielleicht, so die Hoffnung, lässt sich auf diesem Weg doch noch ein Fenster für echte Friedensverhandlungen öffnen.
Aber mal ehrlich – wie viel Druck braucht es, bis Putin wirklich einknickt?
Von C. Hatty
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