Wasser wird knapp – und die Landwirtschaft liegt auf dem Trockenen. Doch ausgerechnet aus dem, was sonst als Abfall gilt, wächst in den Pyrénées-Orientales eine Zukunftsvision: Abwasser wird zur Lebensader für Felder und Reben.
Ein ambitioniertes Projekt im Süden Frankreichs stellt die Weichen neu. In Argelès-sur-Mer entsteht eines der wegweisendsten Programme zur Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser – kurz REUT. Die Idee: Aus der Not eine Tugend machen. 600 Hektar landwirtschaftlicher Fläche sollen künftig nicht mehr auf kostbares Trinkwasser angewiesen sein, sondern über 1,3 Millionen Kubikmeter behandeltes Abwasser jährlich nutzen. Für den Weinanbau. Für Obstbäume. Für eine Region, die unter der sengenden Sonne immer häufiger ums Überleben kämpft.
Getragen wird das Projekt von der Communauté de communes Albères – Côte Vermeille – Illibéris (CC ACVI), mit kräftiger Unterstützung durch den französischen Staat. Die Investitionssumme? Satte 13 Millionen Euro – ein Zeichen dafür, wie ernst die Lage ist.
Aus dem Klärwerk auf die Felder
Das Rückgrat des Projekts bildet die Kläranlage von Argelès-sur-Mer. Dort, wo bislang die gereinigten Abwässer in die Umwelt abgegeben wurden, beginnt nun eine zweite Verwandlung: Durch ein ergänzendes Aufbereitungssystem wird das Wasser so behandelt, dass es den hohen hygienischen Anforderungen für landwirtschaftliche Nutzung genügt. Kein üppiger Wasserstrahl, sondern Tröpfchen für Tröpfchen – mit einem modernen Tröpfchenbewässerungssystem gelangt das Wasser genau dorthin, wo es gebraucht wird: an die Wurzeln.
14 Kilometer neue Leitungen und digital überwachte Bewässerungsstationen sorgen dafür, dass die landwirtschaftlichen Betriebe punktgenau versorgt werden können. Eine hochmoderne Infrastruktur, die nicht nur Wasser spart, sondern auch Kontrolle und Effizienz erhöht.
Was bringt das der Region?
Einmal in Betrieb – geplant ist der Start im Frühjahr 2026 – wird das Projekt gleich in mehrfacher Hinsicht Früchte tragen. Zum einen schützt es die natürlichen Wasserressourcen: Weniger Grundwasser wird entnommen, die Reserven bleiben stabiler. Zum anderen bleibt die Landwirtschaft vor Ort überlebensfähig – trotz zunehmender Trockenperioden.
Und drittens: Die Region übernimmt eine Vorreiterrolle. Während andere noch diskutieren, wie man der Wasserkrise begegnen soll, wird in den Pyrénées-Orientales bereits gehandelt.
Ein Mosaikstein in einer größeren Strategie
Doch das REUT-Projekt steht nicht für sich allein. Es ist eingebettet in eine breit angelegte Klimaanpassungsstrategie. Dazu gehören auch der Ausbau und die Modernisierung hydraulischer Infrastrukturen sowie ein neues Bewusstsein für sparsamen Umgang mit Wasser – auch abseits der Landwirtschaft.
Die Botschaft dahinter ist klar: In Zeiten der Dürre dürfen wir keine Wasserquelle ungenutzt lassen. Auch nicht das, was wir bisher als Abwasser betrachtet haben.
Mut zur Veränderung
Der politische Wille ist spürbar – und notwendig. Denn ein solcher Umbau kostet nicht nur Geld, sondern auch Überzeugungsarbeit. Die Vorstellung, Feldfrüchte mit behandeltem Abwasser zu bewässern, braucht Aufklärung, Transparenz und Vertrauen. Doch mit jedem Tropfen, der in Argelès-sur-Mer bald wieder durch die Erde sickert, wächst auch die Akzeptanz für diese neue Realität.
Wird diese Lösung Schule machen?
Vielleicht. Viel spricht dafür, dass wir uns in den kommenden Jahren stärker mit solchen Modellen auseinandersetzen werden. Nicht nur in Frankreich – sondern überall dort, wo der Klimawandel den Wasserkreislauf auf den Kopf stellt.
Autor: Andreas M. Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!