Mit dem knappen Wahlsieg von Karol Nawrocki bei der polnischen Präsidentschaftswahl am 1. Juni 2025 steht das Land vor einer politischen Zäsur. Der 42-jährige Historiker, unterstützt von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), setzte sich mit 50,89 % der Stimmen gegen den liberalen, proeuropäischen Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski durch. Dieses Ergebnis hat tiefgreifende Implikationen für die Europäische Union und ihre zukünftige Kohäsion.
Ein Präsident mit polarisierendem Profil
Karol Nawrocki, bislang ohne parlamentarische Erfahrung, machte sich als Direktor des Instituts für Nationales Gedenken einen Namen. Seine Kampagne war geprägt von nationalistischen Tönen, der Betonung traditioneller katholischer Werte und einer kritischen Haltung gegenüber der EU. Besonders auffällig war seine Ablehnung gegenüber einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sowie seine Forderung nach Reparationszahlungen Deutschlands für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs .
Seine Vergangenheit wirft Fragen auf: Berichte über frühere Verbindungen zu extremistischen Gruppen und Hooligans wurden während des Wahlkampfs thematisiert, konnten jedoch seinen Aufstieg nicht verhindern . Nawrockis Sieg wurde von rechtspopulistischen Führern Europas, darunter Viktor Orbán und Marine Le Pen, begrüßt und als Triumph der nationalen Souveränität gefeiert .
Eine schwierige Koexistenz mit der Regierung Tusk
Die Wahl Nawrockis stellt eine Herausforderung für Premierminister Donald Tusk dar, dessen proeuropäische Koalitionsregierung seit 2023 bemüht ist, die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen und die Beziehungen zur EU zu stärken. Der polnische Präsident besitzt ein Vetorecht, das es ihm ermöglicht, Gesetzesvorhaben der Regierung zu blockieren. Bereits sein Vorgänger, Andrzej Duda, nutzte dieses Instrument, um Reformen zu verhindern. Beobachter erwarten, dass Nawrocki ähnlich oder noch entschlossener vorgehen könnte .
In Reaktion auf die Wahlniederlage seines Kandidaten Trzaskowski kündigte Tusk eine Vertrauensabstimmung im Parlament an, um die Geschlossenheit seiner Koalition zu demonstrieren und seine politische Agenda fortzusetzen .
Auswirkungen auf die EU und internationale Beziehungen
Die Wahl Nawrockis könnte die Beziehungen Polens zur EU erheblich belasten. Seine euroskeptische Haltung und die mögliche Blockade von Reformen gefährden die Freigabe von Milliarden Euro an EU-Geldern, die an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft sind. Zudem könnte seine Präsidentschaft die Unterstützung Polens für EU-Initiativen wie den Green Deal oder die Migrationspolitik schwächen.
Auch die transatlantischen Beziehungen stehen vor einer Neujustierung. Nawrocki gilt als Verbündeter des US-Präsidenten Donald Trump und könnte eine stärkere Ausrichtung Polens an den USA anstreben, was zu Spannungen innerhalb der EU führen könnte.
Ein Spiegelbild europäischer Entwicklungen
Die Wahl in Polen reiht sich ein in eine Serie von Erfolgen rechtspopulistischer Kräfte in Europa. In Ländern wie Ungarn und der Slowakei konnten nationalkonservative Parteien zuletzt Wahlerfolge verbuchen. Diese Entwicklung stellt die proeuropäischen Kräfte vor die Herausforderung, überzeugende Alternativen zu bieten und den Zusammenhalt der EU zu sichern.
Die tiefe Spaltung der polnischen Gesellschaft, sichtbar in der urbanen Unterstützung für Trzaskowski und der ländlichen für Nawrocki, verdeutlicht die Notwendigkeit eines Dialogs über die zukünftige Ausrichtung des Landes und Europas insgesamt.
Autor: P. Tiko
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