In der südfranzösischen Region Bouches-du-Rhône herrscht Unmut – besonders in Luynes, einem kleinen Ort nahe Aix-en-Provence. Seit der Schließung des örtlichen Postamts im Sommer letzten Jahres scheint der Postdienst komplett aus den Fugen geraten zu sein. Briefe, die normalerweise innerhalb weniger Tage zugestellt werden sollten, erreichen die Empfänger erst nach Wochen oder gar Monaten. Manchmal kommen sie gar nicht an.
Ein Alltag voller Frust und Verzögerung
Ein Rentner aus Luynes beschreibt, wie sein Briefkasten zum Sinnbild einer Geduldsprobe geworden ist: Es dauert mittlerweile über einen Monat, bis selbst einfache Briefe ankommen. Besonders ärgerlich ist der Verlust wichtiger Dokumente wie seines Scheckhefts – es hat ihn nie erreicht. Der Ursprung des Chaos? Die Schließung des Postamts, das durch ein provisorisches Rathaus-Schalter-System ersetzt wurde.
Doch dieser Wechsel hat den Service nicht verbessert, sondern das Gegenteil bewirkt. Einige Bewohner sind so verzweifelt, dass sie regelmäßig ins nahegelegene Postzentrum fahren, um ihre Briefe persönlich abzuholen. „Ich musste 12 Kilometer fahren, nur um zu sehen, ob mein Brief dort ist“, beklagt eine Anwohnerin.
Bis zu 22 Wochen Verspätung – eine unhaltbare Situation
Die Zahlen sind alarmierend: Laut Angaben der Betroffenen müssen sie teilweise bis zu 22 Wochen auf ihre Post warten. In einer Zeit, in der alles immer schneller wird, wirkt das wie ein Anachronismus. Kein Wunder, dass der Präsident der Bürgervereinigung „Luynois en Action“ von einer „Unzumutbarkeit“ spricht.
Die Folgen können weitreichend sein: Bußgelder für verspätete Strafzettel, verpasste Gerichtstermine oder wichtige Prüfungen – das Chaos hat reale Konsequenzen für die Betroffenen. Von den insgesamt 3.700 Postfächern im Gebiet landen täglich etwa 500 Briefe nicht wie geplant beim Empfänger. Ein bedenklicher Zustand, den selbst La Poste – der französische Postdienst – nicht leugnet.
Warum hakt es so gewaltig?
Die Post in Frankreich hat wie viele andere europäische Postunternehmen mit den Herausforderungen der Digitalisierung zu kämpfen. Briefe, die früher der Hauptumsatzträger waren, spielen eine immer geringere Rolle. Der Personalabbau in vielen Regionen sorgt dafür, dass traditionelle Dienste ins Stocken geraten. Doch was in Luynes geschieht, ist ein Extremfall.
Seit der Schließung des Postamts ist die Verantwortung für die Verteilung der Briefe auf mehrere Stellen verteilt. Das Rathaus von Luynes betreibt zwar einen Schalter, doch dieser ist nur bedingt in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen. Die Bewohner sehen sich allein gelassen und sind zunehmend frustriert – verständlicherweise.
Lösungsansätze: Ein Hoffnungsschimmer?
Doch was lässt sich tun, um diese Situation zu entschärfen? Einige Bewohner fordern eine Wiedereinführung des Postamts, andere schlagen mobile Postdienste vor, die vor allem in ländlichen Gebieten Frankreichs bereits erfolgreich getestet wurden. Ein weiteres Modell könnte die Einführung von Abholstationen sein, bei denen Bewohner ihre Briefe und Pakete flexibel abholen können.
Natürlich stellt sich die Frage: Warum wird in einer Welt, in der E-Mails und digitale Kommunikation dominieren, überhaupt noch so viel Wert auf traditionelle Postdienste gelegt? Die Antwort ist simpel – viele wichtige Dokumente wie amtliche Schreiben, Bankunterlagen oder juristische Benachrichtigungen werden noch immer in Papierform verschickt. Gerade ältere Menschen sind auf diese Dienstleistungen angewiesen.
Ein Rückschritt ins analoge Chaos?
Der Fall Luynes zeigt, wie abhängig wir trotz Digitalisierung noch von funktionierenden Basissystemen sind. Wer hätte gedacht, dass in einer Zeit, in der man innerhalb von Sekunden mit Menschen auf der anderen Seite der Welt kommunizieren kann, Briefe auf einmal wieder zur Geduldsprobe werden?
Die Frage bleibt: Wie lange können die Bewohner dieses Zustands noch aushalten? Der Druck auf La Poste wächst, doch bisher gibt es keine schnelle Lösung. Für die Menschen in Luynes bedeutet das, weiter improvisieren zu müssen – und darauf zu hoffen, dass der nächste Brief vielleicht doch pünktlich ankommt.
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