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Der majestätische Renaissance-Traum im Herzen Frankreichs, das Château de Chambord, wird ab dem 1. Januar 2026 eine neue Seite seiner langen Geschichte aufschlagen – allerdings nicht mit einer architektonischen Sensation, sondern mit einer neuen Preisstrategie, die bereits jetzt für Diskussionen sorgt.

Was steckt dahinter?

Ab dem kommenden Jahr zahlen Besucher aus Nicht-EU-Ländern satte 29 Euro Eintritt – das sind 10 Euro mehr als bisher. Für ermäßigte Tickets steigt der Preis sogar von 16,50 auf 26 Euro. Für EU-Bürger hingegen wird der bisherige Tarif beibehalten. Das Ganze soll rund 600.000 Euro im ersten Jahr einbringen. Ziel: die umfassende Restaurierung der königlichen Flügel, erbaut unter dem berühmten König François Ier – ein Vorhaben mit einem Preisschild von 25 Millionen Euro.

„Der Staat kann nicht alles finanzieren“, erklärt Pierre Dubreuil, Generaldirektor des Schlosses. Für ihn ist diese Maßnahme alternativlos, um den drohenden Verfall aufzuhalten.

Ein elitärer Trend?

Mit dieser Entscheidung reiht sich Chambord in eine wachsende Riege französischer Kulturstätten ein. Der Louvre und Versailles praktizieren bereits eine ähnliche Preisdifferenzierung – ebenfalls mit dem Argument, dass Nicht-Europäer im Schnitt über mehr Kaufkraft verfügen und deshalb auch mehr beitragen können. Rückenwind kommt dabei vom französischen Kulturministerium selbst.

Doch ist es wirklich gerecht, den Geldbeutel an den Pass zu koppeln?

Gerade einmal zehn Prozent der Chambord-Besucher stammen aus Nicht-EU-Staaten. Die Mehrheit dieser Gäste kommt aus den USA, Kanada, China oder den Golfstaaten – Touristengruppen, die regelmäßig für volle Hotelbetten, Restaurantbesuche und Souvenirkäufe sorgen. Sie finanzieren mit ihren Ausgaben längst einen beachtlichen Teil des lokalen und nationalen Tourismus.

Und jetzt sollen sie obendrein noch tiefer in die Tasche greifen?

Grenzen der Fairness

Die neue Tarifstruktur wirft unbequeme Fragen auf. Natürlich ist es legitim, nach Wegen zu suchen, das Kulturerbe zu schützen – aber zu welchem Preis? Und für wen?

Werden Museen und Schlösser bald zu exklusiven Erlebnisorten für Wohlhabende? Könnte diese Entscheidung als kulturelle Abschottung wahrgenommen werden? Kritiker sprechen bereits von einer „sanften Diskriminierung“, die sich hinter wirtschaftlicher Notwendigkeit versteckt.

Zugleich mahnen Kulturfreunde zur Besonnenheit: Ohne ausreichende Mittel verwittern die prachtvollen Bauwerke, die unsere Geschichte atmen. Die Realität der Finanzierung zwingt Kulturstätten in den Spagat zwischen Zugang und Erhalt.

Chambord sucht nach weiteren Einnahmequellen

Neben den neuen Eintrittspreisen setzt man in Chambord auch auf Events – wie das Konzert des französischen DJs Michael Canitrot im September 2025. Die Erlöse dieses Spektakels sollen ebenfalls in die Restaurierung fließen. Ein mutiger Mix aus Klassik und Moderne – warum nicht?

So ein Konzert kann neue Zielgruppen ansprechen und bringt frischen Wind in alte Gemäuer. Doch reicht das? Oder ist das Schloss am Ende gezwungen, sich stärker zu kommerzialisieren?

Ein Testlauf mit offenem Ausgang

Vorerst handelt es sich um einen einjährigen Test. Danach wird ausgewertet: Hat sich das Ganze gelohnt? Wie haben die Besucher reagiert? Ist die Besucherzahl der betroffenen Gruppen geschrumpft oder blieb sie stabil?

So oder so – die Entscheidung des Château de Chambord markiert eine Zäsur im Selbstverständnis europäischer Kulturbetriebe. Die große Frage bleibt: Wird der Zugang zum kulturellen Erbe künftig vom Herkunftsland bestimmt?

Ein Gedanke, der nicht nur Touristinnen und Touristen beschäftigt – sondern auch all jene, die Kultur als verbindendes Element über Ländergrenzen hinweg verstehen.

Von Andreas M. Brucker

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