Tag & Nacht




Sevilla. Glühende Sommerhitze, enge Gassen, Orangenduft – und jetzt auch der Schauplatz einer Konferenz, die das Schicksal der Weltwirtschaft lenken soll.

Vom 30. Juni bis 3. Juli 2025 versammeln sich rund 70 Staats- und Regierungschefs sowie Delegationen aus über 150 Ländern in der andalusischen Hauptstadt. Ihr Ziel: Nichts Geringeres als die Neugestaltung der Entwicklungshilfefinanzierung bis 2030.

Doch schon beim ersten Blick auf die Teilnehmerliste zeigt sich ein Bruch im globalen Gleichgewicht: Die USA fehlen.

Nach der Auflösung ihrer Entwicklungshilfeagentur USAID haben die USA ihre Teilnahme abgesagt. Ein Signal, das in den prunkvollen Konferenzsälen Sevillas wie ein dumpfer Gong nachhallt.

Auch andere Industrieländer kürzen ihre Beiträge zur öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland, Frankreich, Großbritannien – sie alle haben ihre Budgets zusammengestrichen. Im Saal bleibt eine Frage unausgesprochen, aber allgegenwärtig: Was bedeutet Entwicklungsfinanzierung noch, wenn die reichsten Staaten ihr den Rücken kehren?

Die Konferenz steht unter keinem guten Stern.

Globale Krisen drücken schwer: zunehmende Ungleichheit, wachsende Schuldenberge im Globalen Süden, Klimakatastrophen, zurückgehende öffentliche Entwicklungshilfe. Kein Wunder, dass die Erwartungen an das Treffen hoch sind.

Herauskommen soll der sogenannte „Compromiso de Sevilla“. Ein Abschlussdokument, das Multilateralismus bekräftigt, finanzielle Inklusion fördern und Steuervermeidung bekämpfen will. Ebenso verpflichtet es sich zur Unterstützung überschuldeter Staaten.

Doch was sagt die Zivilgesellschaft?

Viele NGOs kritisieren, das Dokument sei eher eine symbolische Geste als ein echter Fahrplan für tiefgreifende Veränderungen. „Es fehlt an Ambition und Verbindlichkeit“, heißt es von mehreren Organisationen, die sich seit Jahren für Schuldenerlasse und gerechtere Finanzstrukturen einsetzen.

König Felipe VI. versuchte in seiner Eröffnungsrede Optimismus zu verbreiten. Multilateralismus sei der Weg zu Frieden und Fortschritt, sagte er. Sevilla, so betonte er, sei ein idealer Ort für Dialog und Konsensbildung.

Pedro Sánchez, Spaniens Premierminister, wurde deutlicher.

Er forderte eine stärkere Mobilisierung von Ressourcen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele. Und er kritisierte offen die Kürzungen der internationalen Finanzierung – insbesondere durch die USA. Seine Rede klang wie ein Weckruf an eine schläfrige Weltgemeinschaft.

NGOs reagierten ernüchtert.

NGO-Vertreter betonen, dass die Kürzungen der öffentlichen Entwicklungshilfe vor allem die Schwächsten treffen würden – Menschen, die ohnehin täglich ums Überleben kämpfen. Sie fordern einen verbindlichen Mechanismus, der sicherstellt, dass finanzielle Zusagen auch tatsächlich eingehalten werden.

Ob der „Compromiso de Sevilla“ nun Fortschritt oder bloße Symbolik ist – das bleibt vorerst offen.

Fakt ist: Die Konferenz adressiert wichtige Themen. Doch viele ihrer Vorhaben sind bisher vage formuliert, beinhalten Absichtserklärungen ohne klare Umsetzungspfade.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob aus dem Kompromiss von Sevilla konkrete Schritte erwachsen. Ob Steuerschlupflöcher tatsächlich geschlossen, Schuldenerlasse ernsthaft verhandelt und neue Wege der Entwicklungshilfefinanzierung entwickelt werden.

Oder ob alles beim Alten bleibt.

Die Weltwirtschaft gleicht derzeit einem instabilen Gerüst aus Holzlatten und lose verankerten Schrauben. Jeder Rückzug eines Akteurs reißt eine neue Lücke ins System. Und während sich Industrieländer ihrer Verantwortung entziehen, müssen Länder des Globalen Südens immer größere Lasten tragen.

Vielleicht ist die Frage am Ende nicht, ob der „Compromiso de Sevilla“ ambitioniert genug war. Sondern ob wir es uns leisten können, noch länger auf echte Antworten zu warten.

Autor: Andreas M. Brucker

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