Tag & Nacht




Die Augen der Welt richten sich auf einen unscheinbaren Schornstein – auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle. Doch statt der ersehnten weißen Rauchwolke stieg am Donnerstagvormittag erneut schwarze Rauch auf. Das bedeutet: Auch am Morgen des zweiten Tages des Konklaves bleibt der Stuhl Petri leer.

Geduld ist gefragt

Seit Mittwochnachmittag befinden sich die 133 wahlberechtigten Kardinäle im Konklave, abgeschottet von der Außenwelt. Ihre Mission: Einen Nachfolger für Papst Franziskus finden. Doch eine Einigung ist bislang ausgeblieben. Zwei Wahlgänge am Donnerstagmorgen – kein Erfolg. Und wieder schwebte schwarzer Rauch über dem Petersdom, begleitet von enttäuschten Blicken auf dem Platz davor.

Viele Pilger und Schaulustige haben sich dort versammelt, manche betend, andere in gespannter Stille. Hoffnung und Frustration liegen spürbar nah beieinander. Eine ältere Italienerin sagte leise: „Ich war auch bei der Wahl von Franziskus hier. Damals war das gute Gefühl sofort da.“ Diesmal jedoch besteht eher ein Gefühl einer zähen Suche.

Zwei Drittel – ein hoher Anspruch

Ein neuer Papst braucht mindestens 89 Stimmen – eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das Wahlverfahren ist klar strukturiert: Je zwei Wahlgänge am Vormittag und zwei am Nachmittag. Sollte auch der zweite Wahlgang am Vormittag keine Entscheidung bringen, wird nachmittag beziehungsweise am Abend erneut Rauch aufsteigen – entweder schwarz oder weiß.

Wer weiß, vielleicht überrascht uns der nächste Rauch mit einem himmlischen Signal?

Ein offenes Rennen

Die Liste der Favoriten – die sogenannten „papabili“ – ist lang und vielfältig. Namen wie Pietro Parolin und Pierbattista Pizzaballa stehen hoch im Kurs, beide Italiener mit starker Präsenz im Vatikan. Auch der Malteser Mario Grech wird genannt, ebenso wie Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille, und Luis Antonio Tagle von den Philippinen, der als besonders weltoffen und volksnah gilt.

Auffällig ist, dass viele der möglichen Kandidaten aus Regionen stammen, die bisher in der Kirchengeschichte selten im Fokus standen – sogenannte „Peripherien“, die Papst Franziskus besonders am Herzen lagen. Kein Wunder, schließlich hat er 81 Prozent der diemal wahlberechtigten Kardinäle selbst ernannt – viele davon aus Afrika, Asien oder Lateinamerika.

Ein Balanceakt zwischen Tradition und Aufbruch

Das macht das aktuelle Konklave zu einem der offensten seit Jahrzehnten. Ein Favorit scheint nicht klar erkennbar. Das wiederum macht die Entscheidung schwer, denn die Kirche steht an einem Wendepunkt. Soll der neue Papst den Kurs von Franziskus fortsetzen – mit Fokus auf Reformen, Umwelt und soziale Gerechtigkeit? Oder folgt ein Rückschwenk zu konservativeren Werten?

Diese Fragen bewegen nicht nur die Kardinäle. Auch Millionen Gläubige weltweit spüren: Die Wahl des neuen Papstes wird weitreichende Konsequenzen haben – spirituell, politisch und gesellschaftlich.

Mehr als eine Entscheidung – ein globales Zeichen

Ein bisschen fühlt sich das Ganze an wie ein kollektiver Atem, den die katholische Welt gerade anhält. Jede Entscheidung, jede Rauchwolke sendet ein Signal – weit über Rom hinaus. Vielleicht ist genau das auch der Grund, warum dieses Konklave so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Denn in einer Welt voller Konflikte, Klimakrise und gesellschaftlicher Spaltung suchen viele nach Orientierung – und hoffen, sie in einem neuen geistlichen Oberhaupt zu finden. Der nächste Papst wird nicht nur Oberhaupt der katholischen Kirche sein. Er wird ein globaler Akteur auf der Bühne des 21. Jahrhunderts.

Ob die Kardinäle sich dieser Tragweite bewusst sind? Zweifel daran gibt es keine. Doch bis der weiße Rauch aufsteigt, heißt es: abwarten – und beten.

Von C. Hatty

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