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Am südlichen Zipfel Grönlands, dort wo sich Fjorde tief ins Gestein schneiden, liegt ein Ort von wachsender geopolitischer Bedeutung. Die Tanbreez-Lagerstätte, eine der größten bekannten Vorkommen seltener Erden außerhalb Chinas, könnte der Schlüssel zur Unabhängigkeit Grönlands – und zur Verringerung westlicher Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen – werden. Doch der Weg zur Rohstoffnation ist steinig.

Die dunkle, vegetationslose Erhebung nahe Qaqortoq wirkt fast wie ein Schauplatz aus Tolkiens „Mordor“. Unter der kargen Oberfläche liegt ein geologischer Schatz: Dysprosium, Neodym, Terbium – kritische Metalle für Hightech-Anwendungen von Windkraftanlagen bis hin zu Kampfflugzeugen. Doch der Bergbau in der größten Insel der Welt, deren 80 Prozent von einem kilometerdicken Eisschild bedeckt sind, ist teuer, technisch anspruchsvoll – und politisch aufgeladen.

Trump, China und das neue Rohstoffrennen

Grönlands wirtschaftliches Potenzial rückte 2019 schlagartig ins globale Rampenlicht, als US-Präsident Donald Trump erklärte, die Vereinigten Staaten müssten „auf die eine oder andere Weise“ Grönland „bekommen“. Hintergrund war nicht nur militärstrategisches Kalkül – Grönland liegt auf halber Strecke zwischen Nordamerika und Europa –, sondern auch das wachsende Interesse an seltenen Erden.

China kontrolliert derzeit rund 70 Prozent der globalen Förderung und über 90 Prozent der Verarbeitung dieser kritischen Metalle. Peking demonstrierte seine Marktmacht im April 2024, als es im Zuge des anhaltenden Handelskonflikts mit Washington vorübergehend den Export mehrerer seltener Erden einschränkte. Selbst die USA, die nur eine einzige aktive Mine in Mountain Pass (Kalifornien) betreiben, liefern ihre Rohstoffe bislang überwiegend nach China zur Weiterverarbeitung.

Vor diesem Hintergrund kommt der Tanbreez-Lagerstätte strategische Bedeutung zu. Eine vorläufige Bewertung schätzt ihren Wert allein in der Anfangsphase auf rund drei Milliarden US-Dollar. Die USA signalisierten ihr Interesse: Die Export-Import Bank sicherte im Juni 2025 eine Kreditlinie über 120 Millionen Dollar zur Finanzierung des Projekts zu – Teil einer neuen Initiative zur Resilienz westlicher Lieferketten. Trump-nahe Investoren und ehemalige Regierungsmitglieder sind daran beteiligt.

Ein schwieriger Aufbruch in die Rohstoffökonomie

Trotz der Ressourcenambitionen ist Grönland noch weit von einer funktionierenden Bergbauindustrie entfernt. Zwar existieren 67 aktive Explorationslizenzen, doch nur acht Unternehmen verfügen über Betriebsgenehmigungen für kommerziellen Abbau. Die Infrastruktur ist rudimentär: Es gibt kaum Straßen, die Bevölkerung zählt nur rund 57.000 Menschen – überwiegend Inuit –, und die klimatischen Bedingungen sind extrem.

„Wenn man in Grönland eine Mine bauen will, muss man alles selbst errichten – vom Straßenbau über Arbeiterunterkünfte bis zum Hafen“, erklärt Bent Olsvig Jensen, Direktor der einzigen aktuell produzierenden Mine, Lumina Sustainable Materials. Sie fördert Anorthosit, ein Silikatmineral, das auch auf dem Mond vorkommt und für die Herstellung von Glasfaser und Farben genutzt wird. Gewinne schreibt das Unternehmen bisher nicht.

Auch Tanbreez steht vor enormen logistischen Herausforderungen: Die australisch geführte Betreibergesellschaft Critical Metals Corp. muss zunächst ein offenes Tagebauprojekt, eine Aufbereitungsanlage, Unterkünfte für 60 Arbeiter und einen Tiefwasserhafen errichten, bevor überhaupt mit dem Abbau begonnen werden kann.

Rohstoffe für Unabhängigkeit – aber zu welchem Preis?

Für Grönland ist der Bergbau ein zentrales Element einer langfristigen Strategie zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit. Die Autonomie vom Mutterland Dänemark ist erklärtes Ziel vieler Politiker in Nuuk. Premierminister Jens-Frederik Nielsen erklärte jüngst, das Land sei „offen für Geschäfte“, wobei er explizit europäische und US-Investoren adressierte – nicht zuletzt, um eine zu große Abhängigkeit von chinesischem Kapital zu vermeiden.

Gleichzeitig ist die Rohstoffförderung im Land politisch umstritten. 2021 etwa sprach sich das Parlament gegen den Abbau von Uran aus – eine Entscheidung, die zu einem milliardenschweren Rechtsstreit mit internationalen Investoren führte. Auch auf lokaler Ebene regt sich Widerstand: Fischer sorgen sich um ihre Fanggründe; Bauernfamilien fürchten Umweltfolgen. Die Regierung versucht, zwischen wirtschaftlichen Interessen und ökologischen Risiken zu balancieren.

„Wir sind ein pro-mining Land – aber auf unsere Art“, betont Naaja Nathanielsen, Grönlands Bergbauministerin. Ziel sei eine begrenzte Zahl aktiver Minen, die stabile Einnahmen sichern, aber auch soziale und ökologische Standards respektieren. Sechs bis sieben Abbaustandorte in 20 Jahren hält sie für realistisch.

Eine Frage der Zeit und Partner

Tanbreez ist eines der am weitesten fortgeschrittenen Projekte. Der australische Geologe Greg Barnes, der das Vorkommen 1992 per Zufall entdeckte, investierte über 50 Millionen Dollar und Jahrzehnte in die Entwicklung. 2020 erhielt er endlich eine Betriebsgenehmigung. Inzwischen ist sein Unternehmen mit Critical Metals fusioniert. Auch wenn der kommerzielle Betrieb frühestens 2026 beginnt, sehen viele Beobachter darin einen Testfall für Grönlands Zukunft als Rohstoffstandort.

Wichtig ist dabei nicht nur die Förderung, sondern auch die Verarbeitung der Erze – ein Bereich, den China bislang dominiert. Noch fehlen dem Westen entsprechende Kapazitäten. Zwar forschen US- und europäische Institute an Alternativen oder synthetischen Ersatzstoffen für seltene Erden. Doch industrielle Anwendungen sind bislang nicht marktreif.

Grönlands Bedeutung als geopolitischer Akteur dürfte also weiter steigen – zwischen dänischer Protektion, chinesischer Marktmacht und amerikanischem Sicherheitsinteresse. Die Frage ist, ob und wie das kleine Land diese Machtposition für eine eigenständige, nachhaltige Entwicklung nutzen kann – oder ob es zur Projektionsfläche ausländischer Interessen wird.

Autor: Andreas M. Brucker

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