Wenn der Wind zum Gegner wird, zeigt sich die ganze Zerbrechlichkeit moderner Infrastruktur. Sturmtief „Benjamin“ hat Frankreich mit voller Wucht getroffen – und hinterlässt ein Bild der Verwüstung.
Am Donnerstagabend meldete der französische Wirtschaftsminister Roland Lescure im Abendnachrichtenmagazin von France 2: Noch immer sind 38.000 Haushalte ohne Strom. In Spitzenzeiten saßen sogar 140.000 Haushalte im Dunkeln. Besonders hart traf es die Regionen Nouvelle-Aquitaine, Okzitanien und Auvergne-Rhône-Alpes – ein weiter Bogen von der Atlantikküste bis zu den Alpen, in dem Bäume knickten, Straßen gesperrt wurden und der Strom flächendeckend ausfiel.
Lescure nutzte die Gelegenheit, um den Einsatzkräften von Enedis zu danken. Die Techniker hätten, so der Minister, „mit vollem Einsatz“ daran gearbeitet, die Versorgung wiederherzustellen. In vielen Regionen herrschte Ausnahmezustand: Straßen überflutet, Leitungen beschädigt, Menschen in ihren Häusern eingeschlossen. Ein ganz normaler Herbststurm? Mitnichten.
Denn „Benjamin“ war mehr als nur ein starker Wind.
Ein besonders tragisches Kapitel spielte sich auf Korsika ab. Dort verlor ein 45-jähriger deutscher Tourist sein Leben. In der Region Galeria, an der Brücke „Pont des Cinq Arcades“, wurde er von den reißenden Fluten des Flusses Fango überrascht und mitgerissen. Sein lebloser Körper wurde später flussabwärts entdeckt. Urlaub in der Natur – mit tödlichem Ausgang.
Innenminister Laurent Nuñez, der am Donnerstag das nationale Krisenzentrum aufsuchte, sprach von einem „Ereignis, das nachlässt“. Doch die Bilanz ist deutlich: 1.200 Feuerwehrleute waren im Dauereinsatz, halfen bei Evakuierungen, entfernten umgestürzte Bäume und kümmerten sich um Verletzte.
Denn auch abseits Korsikas kam es zu dramatischen Szenen: In Royan, einem Küstenort in der Charente-Maritime, stürzte ein Baum auf ein Fahrzeug – drei Personen wurden verletzt. Glück im Unglück: Keine von ihnen musste ins Krankenhaus. In der Gironde traf es einen Busfahrer und eine Feuerwehrfrau, beide erlitten leichte Verletzungen durch herabfallende Äste.
Immerhin: Der Sturm verliert an Kraft.
Météo-France gab am Abend bekannt, dass nur noch zwei Départements unter „Vigilance Orange“ stehen – beide auf Korsika: Haute-Corse und Corse-du-Sud. Für den Rest des Landes hat sich die Lage weitgehend beruhigt. Der Wind pfeift leiser, doch die Aufräumarbeiten beginnen erst.
Was bleibt, ist das mulmige Gefühl, wie schnell Naturgewalten den Alltag aus den Angeln heben können. Binnen Stunden wurde aus einem herbstlichen Tief ein nationales Krisenereignis. Die Frage drängt sich auf: Müssen wir uns an solche Extremwetterlagen gewöhnen?
Die Meteorologen sagen Ja.
Stürme wie „Benjamin“ sind kein Einzelfall mehr. Ihre Häufung, ihre Intensität – sie passen ins Bild eines sich wandelnden Klimas, in dem Wetterextreme keine Ausnahme, sondern die neue Regel sind. Besonders die Atlantikküste trifft es in den letzten Jahren immer häufiger. Häuser, die gestern noch sicher schienen, bekommen plötzlich nasse Keller und beschädigte Dächer.
Und mittendrin: Menschen, die improvisieren, retten, helfen.
Vielleicht ist das die einzige Konstante in all dem Chaos: der Zusammenhalt. Techniker, Feuerwehr, Nachbarn – sie alle werden in solchen Momenten zu stillen Heldinnen und Helden. Es sind ihre Hände, die die Schäden beheben, Leitungen reparieren, Menschen aus Autos bergen oder einfach eine Taschenlampe reichen, wenn das Licht ausgeht.
Denn wenn der Strom ausfällt, bleibt uns nichts als ein wenig Kerzenlicht – und die Hoffnung, dass der Sturm bald weiterzieht.
Von C. Hatty
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