Tag & Nacht




Heute ist der Tag der Bundeswehr. Ein Tag, an dem Soldaten und Zivilisten zusammenkommen, um die Leistungen und Aufgaben der Streitkräfte zu würdigen. Doch in diesem Jahr liegt ein besonderer Schatten über den Feierlichkeiten – der Ukraine-Krieg. Dieser Konflikt hat die Notwendigkeit einer militärischen Neustrukturierung Deutschlands und auch Frankreichs schmerzhaft verdeutlicht.

Der Weckruf aus dem Osten

Russlands Angriff auf die Ukraine hat Europa wachgerüttelt. Der Schock war groß und die Reaktionen vielfältig. In Deutschland hat dies eine Diskussion ausgelöst, die längst überfällig war. Jahrzehntelang verließen wir uns auf die sicherheitspolitischen Garantien der NATO und die abschreckende Wirkung der amerikanischen Streitkräfte. Doch die Welt hat sich verändert. Europa muss selbst mehr Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen.

Deutschlands Weg zur Zeitenwende

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach in diesem Kontext von einer „Zeitenwende“. Die Bundeswehr, lange vernachlässigt und unterfinanziert, soll nun massiv aufgerüstet werden. Es ist ein ambitioniertes Programm: 100 Milliarden Euro Sondervermögen, das zur Modernisierung und Ausstattung der Truppe bereitgestellt wird. Neue Panzer, Kampfflugzeuge und Drohnen – alles soll her. Doch kann man eine jahrzehntelange Vernachlässigung so einfach wettmachen?

Die Probleme sind vielfältig. Von maroden Kasernen über veraltetes Material bis hin zu einer Verwaltung, die oft als bürokratisches Monster beschrieben wird. Es ist eine Herkulesaufgabe, die nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist. Doch der politische Wille ist da und das ist schon mal ein Anfang.

Frankreichs ambitionierter Kurs

Schauen wir über die Grenze nach Frankreich, sieht die Lage etwas anders aus. Frankreich hat traditionell eine stärkere militärische Präsenz und ein größeres Engagement in internationalen Konflikten gezeigt. Präsident Emmanuel Macron hat bereits vor dem Ukraine-Krieg auf eine stärkere europäische Verteidigungspolitik gedrängt. Die „Initiative Européenne d’Intervention“ und das Konzept einer europäischen Armee sind Ausdruck dieses Ansatzes.

Macron verfolgt eine Doppelstrategie. Einerseits bleibt Frankreich ein starker Partner innerhalb der NATO, andererseits wird versucht, die europäische Autonomie im Verteidigungsbereich zu stärken. Der Ukraine-Krieg hat auch hier zu einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben geführt. Die französische Armee soll moderner und schlagkräftiger werden, um den neuen Bedrohungen besser begegnen zu können.

Gemeinsame Herausforderungen und Chancen

Doch sowohl Deutschland als auch Frankreich stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Wie schaffen wir es, eine schlagkräftige Verteidigung auf die Beine zu stellen, ohne dabei in alte militaristische Muster zu verfallen? Wie können wir sicherstellen, dass die immensen Ausgaben auch tatsächlich zu einer besseren Sicherheit führen und nicht nur in einem bürokratischen Sumpf versickern?

Es gibt aber auch Chancen. Die gemeinsame Bedrohung hat Europa enger zusammenrücken lassen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich hat an Dynamik gewonnen. Projekte wie das Future Combat Air System (FCAS) und der Main Ground Combat System (MGCS) sind Beispiele für eine enge Kooperation. Diese Partnerschaft kann ein Schlüssel für eine erfolgreiche Neuausrichtung sein – nicht nur militärisch, sondern auch politisch.

Eine Frage der Perspektive

Der Tag der Bundeswehr sollte also nicht nur ein Tag der Feierlichkeiten sein. Es ist auch ein Tag der Reflexion und der Selbstvergewisserung. Wir müssen uns fragen: Sind wir bereit, die nötigen Veränderungen zu tragen? Haben wir den Mut, neue Wege zu gehen und die Verteidigung Europas nachhaltig zu stärken?

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeit sind. Sie müssen verteidigt werden – manchmal auch mit militärischen Mitteln. Doch die Mittel müssen klug und weise eingesetzt werden. Es braucht eine starke Bundeswehr und ein starkes Frankreich. Aber vor allem braucht es ein starkes Europa, das zusammensteht.

In diesem Sinne: Nutzen wir den Tag der Bundeswehr, um uns unserer Verantwortung bewusst zu werden. Und um gemeinsam an einer sicheren Zukunft zu arbeiten. Denn eins ist sicher: Der nächste Weckruf könnte schon um die Ecke lauern.

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