Inmitten des nicht enden wollenden Leids im Gazastreifen hat eine weitere Tragödie das ohnehin schon erschütterte Bild dieses Konflikts noch dunkler gezeichnet: Zwei Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) kamen bei einem Angriff auf ihre Unterkunft in Khan Younis ums Leben. Die Organisation bestätigte den Vorfall am 25. Mai über die Plattform X und erneuerte dabei ihren dringenden Appell zum Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza.
Die Betroffenen – Ibrahim Eid, ein Experte für die Gefahren im Umgang mit Munition, und Ahmad Abu Hilal, Sicherheitsmitarbeiter im Feldlazarett des Roten Kreuzes in Rafah – waren keine Kämpfer. Sie waren Helfer. Menschen, die sich inmitten der Hölle um andere kümmern wollten.
Und doch wurden sie Opfer eines Krieges, der scheinbar keine Grenzen mehr kennt.
Ein Zuhause wird zum Grab
Die genauen Umstände des Angriffs bleiben im Dunkeln. Die Organisation macht keine Angaben darüber, wer für die Bombardierung verantwortlich ist. Doch der Tonfall des IKRK lässt keinen Zweifel daran, wie tragisch dieser Vorfall einzustufen ist: Die Ermordung der beiden sei ein weiterer Beleg für das „intolerable Ausmaß ziviler Opfer“ in Gaza.
Dieser Satz – nüchtern, fast sachlich – wiegt schwer. Denn er erinnert daran, dass es sich hier nicht um Einzelschicksale handelt. Zigtausende sind es, die in diesem Krieg ihr Leben verloren haben. Die meisten von ihnen: Zivilisten.
Krieg kennt keine Pause
Seit Mitte März hat Israel seine Offensive auf den Gazastreifen erneut aufgenommen – nach einer zweimonatigen Feuerpause. Die Militäroperationen wurden seit dem 17. Mai deutlich ausgeweitet. Ziel sei laut israelischer Regierung, die Hamas zu zerschlagen, die verbliebenen Geiseln zu befreien und die Kontrolle über das Gebiet zu sichern.
Doch die Realität auf dem Boden spricht eine andere Sprache. Laut dem Gesundheitsministerium des von der Hamas kontrollierten Gazastreifens – dessen Zahlen von den Vereinten Nationen als glaubwürdig eingestuft werden – sind seit Beginn der israelischen Gegenoffensive über 54.000 Menschen ums Leben gekommen. Die überwältigende Mehrheit von ihnen: Zivilisten.
Man stelle sich diese Zahl einmal vor: Eine ganze mittelgroße Stadt ausgelöscht – Mütter, Kinder, Väter, Großeltern. Menschen mit Träumen, Sorgen und Hoffnungen.
Die Hilflosigkeit der Helfer
Die Todesfälle von Ibrahim und Ahmad rücken eine weitere, oft übersehene Gruppe ins Licht: die humanitären Helfer. Menschen, die nicht kämpfen, sondern lindern. Nicht zerstören, sondern retten. Doch auch sie sind im Gazastreifen nicht sicher.
Ihr Einsatzgebiet ist eine Welt, in der selbst Krankenhäuser und Flüchtlingslager nicht vor Bomben gefeit sind. Wie also soll man dort noch helfen, ohne selbst ins Visier zu geraten?
Ist es ein Kollateralschaden – oder ein Kollaps des Gewissens?
Das Echo der Menschlichkeit
Während in der internationalen Politik nach wie vor um Waffenruhen, Korridore und Resolutionen gerungen wird, geht das Sterben weiter. Und mit jedem Namen, der wie der von Ibrahim Eid oder Ahmad Abu Hilal genannt wird, wird das Grauen greifbarer.
Die Menschen in Gaza – und auch diejenigen, die ihnen helfen – sind nicht nur Statistiken in einer Nachrichtenmeldung. Sie sind Gesichter, Stimmen, Geschichten. Und jede einzelne davon erinnert daran, wie sehr die Welt in der Pflicht steht, ihre Menschlichkeit nicht nur zu beschwören, sondern endlich zu zeigen.
Das Rote Kreuz spricht von einem „dringenden Appell“ – und ja, dieser Appell ist überfällig. Denn was nützen Regeln des Kriegsrechts, wenn sie inmitten der Trümmer verhallen?
Von Andreas M. Brucker
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