Der Eurovision Song Contest 2025 in Basel war mehr als ein musikalischer Wettbewerb – er war ein emotionsgeladenes Spektakel mit politischen Spannungen, persönlichen Geschichten und einem Überraschungssieger, der sich direkt ins Herz Europas sang: JJ aus Österreich.
Sein Lied „Wasted Love“ war eine melancholische Ballade, reduziert auf das Wesentliche, getragen von der glasklaren Stimme des Countertenors. Keine Pyrotechnik, keine Tänzer – nur JJ, ein Mikrofon und eine Gänsehaut, die sich beim Zuhören über die Haut zog. Am Ende standen 436 Punkte auf dem Zettel, genug für Platz eins. Österreich sicherte sich damit nach 1966 und 2014 den dritten Sieg beim ESC – und was für einen.
Doch der Weg dahin war alles andere als einfach.
Punktlandung mit Herz
Mit 258 Punkten von den Jurys und 178 vom Publikum schnappte sich JJ denkbar knapp den Sieg. Israel, vertreten durch Yuval Raphael mit dem aufbauenden Song „New Day Will Rise“, kam mit 357 Punkten auf Rang zwei. Estlands Beitrag „Espresso Macchiato“ von Tommy Cash – eine schrille Hymne auf Koffein und kreative Exzentrik – lag mit 356 Punkten hauchdünn dahinter.
Ein starker Jahrgang, ohne Frage. Der musikalische Spannungsbogen reichte vom elektro-folkloristischen Albanien über nostalgische Chansons aus Frankreich bis hin zu einem schwedischen Saunalied mit Gute-Laune-Garantie.
Und Deutschland?
Tja – wieder nix. Das Geschwisterpaar Abor & Tynna trat mit „Baller“ an, einer poppigen, beatlastigen Hymne über Selbstermächtigung und Freiheit. Trotz guter Show und solider Stimmen blieb es bei Platz 15 mit insgesamt 151 Punkten. Immerhin gab es 12 Punkte aus der Ukraine und Tschechien – ein kleines Trostpflaster.
Mentor Stefan Raab zeigte sich ernüchtert. „Die Erwartungen waren hoch, vielleicht zu hoch“, sagte er später. Man könne nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden – und manchmal sei der Geschmack des ESC-Publikums einfach schwer kalkulierbar.
Na gut – aber warum klappt es trotzdem immer wieder bei anderen?
Ein Contest, der nicht nur von Musik handelt
Basel hatte sich viel vorgenommen. Doch die politischen Spannungen rund um Israels Teilnahme sorgten im Vorfeld und während der Show für Diskussionen. Besonders heftig wurde es beim Auftritt Yuval Raphaels: Zwei Aktivisten versuchten, die Bühne zu stürmen, wurden jedoch rasch gestoppt. Die EBU reagierte kühl, verwies auf das politische Neutralitätsgebot – und die Show ging weiter.
Solche Vorfälle zeigen, wie tief gesellschaftliche Themen mittlerweile in den ESC eingreifen. Die Bühne ist längst nicht mehr nur für Musik reserviert. Was früher als bunte Party galt, ist heute auch ein Spiegel politischer Konflikte – ob man will oder nicht.
Platz | Land | Künstler:in | Song | Punkte |
---|---|---|---|---|
1 | Österreich | JJ | Wasted Love | 436 |
2 | Israel | Yuval Raphael | New Day Will Rise | 357 |
3 | Estland | Tommy Cash | Espresso Macchiato | 356 |
4 | Schweden | KAJ | Bara bada bastu | 321 |
5 | Italien | Lucio Corsi | Volevo essere un duro | 256 |
6 | Griechenland | Klavdia | Asteromáta | 231 |
7 | Frankreich | Louane | Maman | 230 |
8 | Albanien | Shkodra Elektronike | Zjerm | 218 |
9 | Ukraine | Ziferblat | Bird of Pray | 218 |
10 | Schweiz | Zoë Më | Voyage | 214 |
11 | Finnland | Erika Vikman | Ich komme | 196 |
12 | Niederlande | Claude | C’est la vie | 175 |
13 | Lettland | Tautumeitas | Bur man laimi | 158 |
14 | Polen | Justyna Steczkowska | Gaja | 156 |
15 | Deutschland | Abor & Tynna | Baller | 151 |
16 | Litauen | Katarsis | Tavo akys | 96 |
17 | Malta | Miriana Conte | Serving | 91 |
18 | Norwegen | Kyle Alessandro | Lighter | 89 |
19 | Vereinigtes Königreich | Remember Monday | What the Hell Just Happened? | 88 |
20 | Armenien | Parg | Survivor | 72 |
21 | Portugal | NAPA | Deslocado | 50 |
22 | Luxemburg | Laura Thorn | La poupée monte le son | 47 |
23 | Dänemark | Sissal | Hallucination | 47 |
24 | Spanien | Melody | Esa diva | 37 |
25 | Island | Væb | Róa | 33 |
26 | San Marino | Gabry Ponte | Tutta l’Italia | 27 |
Was bleibt vom ESC 2025?
Ein Sieger mit Tiefgang, ein Finale mit Herzklopfen und ein Wettbewerb, der beweist: Der ESC ist längst mehr als schrille Kostümshow. Es geht um Geschichten, um Haltung, um Stimme – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Die Lektion dieses Jahres? Man muss nicht laut sein, um gehört zu werden. JJ hat mit „Wasted Love“ bewiesen, dass leise Töne am weitesten tragen. Und ganz ehrlich – hat uns das nicht irgendwie alle berührt?
Von Andreas M. B.
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