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Die Affäre rund um den verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein ist in die US-Politik zurückgekehrt – und bringt Donald Trump in Erklärungsnot. Mit juristischen Klagen, medialen Ablenkungsmanövern und parteipolitischen Blockaden versucht der Präsident, die Kontrolle über die Narrative zurückzugewinnen. Doch die Reaktionen offenbaren vor allem eines: Die Nervosität im Trump-Lager.

Anfang Juli veröffentlichte das US-Justizministerium unter Trumps Führung einen Abschlussbericht zum Tod von Jeffrey Epstein. Der in einem New Yorker Gefängnis 2019 verstorbene Milliardär war wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen angeklagt – und stand mit zahlreichen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Hochadel in Verbindung. In Trumps Wahlkampf 2020 hatte die Forderung nach vollständiger Aufklärung des Falls eine zentrale Rolle gespielt. Nun aber scheint Trump selbst um Schadensbegrenzung bemüht – und damit auch seine eigene Glaubwürdigkeit zu gefährden.

Eine widersprüchliche Strategie

Während das Justizministerium Anfang Juli erklärte, es gebe keine Hinweise auf eine „Kundenliste“ oder ein vertuschtes Netzwerk elitärer Täter, kochte im konservativen Lager die Wut hoch. Teile der Trump-nahen „MAGA“-Basis sehen in der Weigerung, bestimmte Dokumente zu veröffentlichen, einen Verrat an Trumps früherer Transparenz-Rhetorik. Dass der Präsident daraufhin seine Unterstützer als „dumm“ beschimpfte, führte zu weiterer Irritation – und nährt Spekulationen über ein inneres Machtvakuum im Weißen Haus.

Der Versuch, durch mediale und juristische Gegenoffensiven die Debatte umzulenken, begann prompt: Trump verklagte das „Wall Street Journal“ wegen Verleumdung auf zehn Milliarden US-Dollar, nachdem dieses einen persönlichen Brief Trumps an Epstein aus dem Jahr 2003 veröffentlicht hatte – inklusive einer obszönen Zeichnung. Gleichzeitig entzog das Weiße Haus dem renommierten Blatt den Zugang zum Präsidentenflugzeug.

Der Justizministerin wird widersprochen

Pam Bondi, Trumps Justizministerin und einst glühende Verfechterin der „Law and Order“-Agenda, bemühte sich zunächst um Deeskalation: Auf Anordnung des Präsidenten forderte sie ein Bundesgericht auf, die vollständigen Unterlagen zur Epstein-Anklage freizugeben. Doch ein Richter in Florida lehnte dies ab – mit Verweis auf den Schutz der Opfer. In einem überraschenden Schritt kündigte Bondi daraufhin an, Ghislaine Maxwell, Epsteins langjährige Vertraute und wegen Menschenhandels verurteilte Mitangeklagte, direkt befragen zu wollen. Der Schritt wird von Beobachtern als Versuch gewertet, neue Einblicke in das Epstein-Netzwerk zu gewinnen – oder zumindest den Anschein davon zu erwecken.

Maxwells Anwalt bestätigte umgehend den Kontakt zur Regierung. Ob die Aussagen der ehemaligen „Rekrutiererin“ Epsteins jedoch der Wahrheitsfindung oder der politischen Schadensbegrenzung dienen sollen, bleibt unklar.

Ablenkung durch Angriffe auf Obama

Parallel zur juristischen Strategie verfolgt das Trump-Team ein altbekanntes Muster: den politischen Gegner attackieren. Barack Obama, Trumps demokratischer Vor-Vorgänger, wird dieser Tage von Trump und seinem Umfeld als eigentlicher Strippenzieher dunkler Machenschaften dargestellt. In einer mit Künstlicher Intelligenz generierten Videosequenz ließ Trump auf seinem Netzwerk „Truth Social“ die Verhaftung Obamas durch das FBI inszenieren – eine Szene, die offenkundig Fiktion ist, aber in rechten Kreisen breite Verbreitung fand.

Zusätzlich veröffentlichte Trumps Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard einen Bericht, der Obama eine Mitverantwortung an der russischen Einmischung in die Wahl 2016 zuschreibt – eine These, die bereits mehrfach widerlegt wurde. Die demokratische Opposition reagierte scharf: „Wenn es nichts Konkretes zu berichten gibt, macht man Obama zum Sündenbock“, sagte Hakeem Jeffries, demokratischer Minderheitsführer im Repräsentantenhaus.

Blockadehaltung im Kongress

Doch nicht nur medial, auch institutionell zeigt sich die Unsicherheit im republikanischen Lager. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, blockierte zuletzt eine parteiübergreifende Resolution, die das Justizministerium zur Offenlegung sämtlicher Epstein-Dokumente auffordern sollte. Selbst Parteikollegen Johnsons hatten der Initiative zugestimmt – ein klares Zeichen innerparteilicher Spannungen.

Offiziell begründete Johnson den Schritt mit dem Schutz der Opfer. Kritiker vermuten jedoch, dass eine Veröffentlichung die politischen Verstrickungen – womöglich auch Trumps eigene – zu stark ins Licht rücken könnte. Um der Debatte zu entgehen, ließ Johnson die Sommerpause des Kongresses kurzerhand vorverlegen.

Das politische Kalkül hinter diesen Manövern ist offensichtlich: Zeit gewinnen, die mediale Aufmerksamkeit umlenken, die Loyalität der Basis wiederherstellen. Doch die Vorgehensweise wirkt improvisiert, reaktiv und zunehmend konfrontativ – selbst gegenüber langjährigen Verbündeten in Justiz und Medien.

Am Freitag wird Trump sich in Schottland aufhalten – offiziell, um „zur Ruhe zu kommen“. Ob die politischen Brände, die derzeit in Washington lodern, bis dahin gelöscht sind, darf bezweifelt werden.

Autor: Andreas M. Brucker

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