Tag & Nacht




Mit der Ankündigung pauschaler Importzölle von 30 Prozent auf Waren aus der Europäischen Union ab dem 1. August 2025 hat US-Präsident Donald Trump eine neue Eskalationsstufe im transatlantischen Handel gezündet. Die Maßnahme könnte das fragile Gleichgewicht zwischen den beiden größten Handelsblöcken der Welt endgültig ins Wanken bringen – mit erheblichen wirtschaftlichen, politischen und strategischen Folgen.

Die EU steht vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss entschlossen ihre Interessen wahren, ohne die geopolitisch ohnehin geschwächte Partnerschaft mit den USA weiter zu beschädigen.

Ein neuer Anlauf alter Konflikte

Die Begründung Trumps für die Zölle folgt einem vertrauten Muster: Das Handelsdefizit der USA mit der EU – zuletzt rund 220 Milliarden US-Dollar jährlich – sei untragbar und gefährde die nationale Sicherheit. Die USA würden, so Trump, von unfairen Handelspraktiken der Europäer benachteiligt, insbesondere im Agrarsektor und bei Industriegütern. In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte er einen sofortigen, vollständigen zollfreien Zugang für US-Produkte zum europäischen Binnenmarkt – ein politisches Maximalziel, das unter den derzeitigen Wettbewerbsbedingungen unrealistisch erscheint.

Trumps Rhetorik erinnert an seine erste Amtszeit (2017–2021), als ähnliche Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte mit denselben Argumenten gerechtfertigt wurden. Damals wie heute dient der Begriff der „nationalen Sicherheit“ vor allem als juristisches Vehikel, um protektionistische Maßnahmen innerhalb der Welthandelsordnung zu legitimieren – sehr zum Unmut der EU, die darin einen Missbrauch internationaler Handelsregeln sieht.

Europas Balanceakt zwischen Diplomatie und Abschreckung

Die Reaktion aus Europa fällt bislang differenziert aus. Während Kommissionspräsidentin von der Leyen betonte, man wolle bis zum 1. August „alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen“, warnte sie zugleich vor „massiven Störungen der transatlantischen Lieferketten“. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz schlug ernste Töne an: Die deutsche Exportwirtschaft werde „ins Mark getroffen“, wenn die Zölle Realität würden. Besonders betroffen wäre die Automobilbranche – laut Statistischem Bundesamt gingen 2024 Fahrzeuge und Fahrzeugteile im Wert von 66 Milliarden Euro in die USA.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ging einen Schritt weiter und forderte eine einheitliche europäische Strategie, die auch eine „konsequente Antwort“ im Falle von US-Zöllen beinhalte. Der Tenor: Verhandlungsbereitschaft ja – aber ohne Illusionen über Trumps politische Absichten.

Wirtschaftsfolgen: Gewinner gibt es keine

Die wirtschaftlichen Konsequenzen wären weitreichend – auf beiden Seiten des Atlantiks. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem „Alarmsignal“, das über die unmittelbaren Kosten hinausreiche: Die Zölle könnten Investitionsentscheidungen beeinflussen, Lieferketten umstrukturieren und das Vertrauen in die transatlantische Partnerschaft dauerhaft beschädigen.

Auch in den USA selbst regt sich Widerstand. Die Handelskammer warnt vor steigenden Preisen für Konsumgüter, insbesondere Elektronik, Kleidung und Lebensmittel. Laut einer Analyse des Peterson Institute for International Economics könnte die Maßnahme das US-BIP um bis zu 0,5 Prozent belasten, sollte es zu einem umfassenden Handelskrieg kommen.

Eine strategische Konfrontation mit System

Trumps Vorgehen ist nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr fügt es sich in ein strategisches Narrativ ein, das auf eine Umgestaltung der internationalen Wirtschaftsordnung im Sinne amerikanischer Dominanz abzielt. Die Konfrontation mit China, die Unterminierung multilateraler Institutionen und nun die Eskalation mit der EU zeigen: Trumps Handelspolitik basiert nicht auf kurzfristigem Druck, sondern auf einer systemischen Ablehnung globaler Regeln, die nicht eindeutig US-interessengetrieben sind.

Die EU wiederum steht vor einem strategischen Dilemma. Einerseits darf sie sich die einseitige Aushebelung von Handelsregeln nicht gefallen lassen. Andererseits ist eine dauerhafte Entfremdung von den USA in Zeiten globaler Unsicherheiten – Krieg in der Ukraine, geopolitischer Wettbewerb mit China – keine attraktive Option.

Es ist daher bemerkenswert, dass Brüssel bislang auf Zeit setzt: Die EU hat angekündigt, bis Anfang August keine Gegenzölle zu erheben, um Verhandlungen eine Chance zu geben. Doch die Geduld ist nicht unbegrenzt. Im Hintergrund laufen Vorbereitungen für eine abgestufte Reaktion, sollte Washington an den Zöllen festhalten.

Letztlich zeigt der aktuelle Streit: Der transatlantische Freihandel, einst als strategisches Rückgrat der liberalen Weltwirtschaft gefeiert, ist in eine kritische Phase eingetreten. Ob die kommenden Wochen einen Wendepunkt markieren oder den Beginn einer längeren Erosion – das hängt nicht zuletzt vom politischen Willen ab, ökonomische Interessen und geopolitische Verantwortung miteinander zu versöhnen.

Autor: Andreas M. Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!