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Die US-Verfassung scheint in einem Punkt unmissverständlich: Kein Präsident soll mehr als zweimal ins höchste Amt des Landes gewählt werden. Doch Donald Trump, der 45. und 47. Präsident der Vereinigten Staaten, stellt diese Norm erneut infrage – mit bemerkenswerter Offenheit. In einem Interview mit NBC News ließ er durchblicken, dass er nicht scherze, wenn es um das Thema einer dritten Amtszeit gehe. Auch wenn er gleichzeitig betonte, es sei „noch viel zu früh“, liegt der politische Sprengstoff dieser Aussagen auf der Hand.

Dass ein amtierender Präsident laut über Wege nachdenkt, die verfassungsmäßige Begrenzung der Anzahl der Amtszeiten zu umgehen, ist nicht nur ein Affront gegenüber den Prinzipien der US-Demokratie, sondern auch ein Indiz für den fortschreitenden Wandel innerhalb der republikanischen Partei und ihrer Basis. Trump nannte konkrete Szenarien, wie etwa eine Kandidatur seines Vizepräsidenten JD Vance im Jahr 2028, der ihm nach einem Wahlsieg das Amt „übergeben“ könnte. Solche Gedankenspiele mögen juristisch fragwürdig sein, doch sie verfehlen ihre politische Wirkung nicht.

Ein fundamentaler Verfassungsgrundsatz unter Druck

Die Amtszeitbegrenzung wurde nicht zufällig eingeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der außergewöhnlich langen Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt, der viermal gewählt wurde, entschloss sich der Kongress, klare Regeln zu schaffen. Der 22. Verfassungszusatz, ratifiziert 1951, schreibt seither vor, dass kein Präsident mehr als zweimal ins Amt gewählt werden darf. Die Regelung dient nicht nur der Begrenzung persönlicher Macht, sondern auch dem Schutz der Demokratie vor autoritären Tendenzen.

Dass nun ausgerechnet ein amtierender Präsident diesen Grundsatz öffentlich infrage stellt, ist beispiellos in der modernen amerikanischen Geschichte. Zwar gab es auch in der Vergangenheit Stimmen, die die Regelung als überholt oder hinderlich bezeichneten – etwa Harry Truman, der den Zusatz als eine der schlechtesten Änderungen der Verfassung kritisierte. Doch niemals zuvor war eine Rücknahme dieser Regel Bestandteil einer aktiven politischen Strategie.

Republikanische Initiativen zur Verfassungsänderung

Innerhalb der republikanischen Partei finden sich inzwischen Stimmen, die den Gedanken einer dritten Amtszeit Trumps nicht nur offen unterstützen, sondern aktiv verfolgen. Der Abgeordnete Andy Ogles aus Tennessee etwa hat angekündigt, einen Verfassungszusatz einzubringen, der eine erneute Kandidatur Trumps ermöglichen soll. Der Vorschlag ist dezidiert personalisiert – eine Lex Trump. Solche Vorstöße mögen juristisch wenig Aussicht auf Erfolg haben, politisch jedoch dienen sie der Mobilisierung eines loyalen Teils der Wählerschaft.

Das Verfahren zur Änderung der US-Verfassung ist indes bewusst kompliziert gestaltet. Es bedarf einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses sowie der Zustimmung von drei Vierteln der Bundesstaaten. Angesichts der tiefen politischen Spaltung in den USA erscheint ein solcher Schritt höchst unwahrscheinlich – zumindest unter den derzeitigen Kräfteverhältnissen.

Der Kult um die Führungsfigur

Donald Trumps politische Rhetorik speist sich nicht aus traditionellen republikanischen Werten wie Verfassungsloyalität oder institutionellem Respekt. Vielmehr kultiviert er ein Führungsbild, das stark auf persönliche Loyalität und charismatische Identifikation setzt. Innerhalb seiner Anhängerschaft wird er nicht nur als amtierender Präsident, sondern als legitimer Träger des Amtes verstanden – unabhängig von tatsächlichen Wahlergebnissen.

Diese Dynamik hat Auswirkungen weit über die Person Trumps hinaus. Sie verändert das institutionelle Verständnis politischer Macht in den Vereinigten Staaten. Die Idee, dass eine Wiederwahl durch indirekte Mittel – etwa über einen loyalen Stellvertreter – möglich sei, setzt einen gefährlichen Präzedenzfall. Sie untergräbt die Glaubwürdigkeit der verfassungsmäßigen Ordnung und relativiert das Prinzip der Gewaltenteilung.

Demokratische Reaktionen und öffentliche Debatte

Während Trumps Lager bereits die juristischen und politischen Hebel prüft, reagiert die demokratische Seite mit Warnungen und Appellen. Kommentatoren, Aktivisten und Politiker verweisen auf die historischen Gründe für die Begrenzung der Amtszeiten und mahnen zur Verteidigung demokratischer Institutionen. In Talkshows und Leitartikeln wird die Sorge laut, dass die USA sich in Richtung eines „gewählten Autoritarismus“ bewegen könnten – ein Zustand, in dem demokratische Prozesse formal bestehen bleiben, aber inhaltlich ausgehöhlt werden.

Der mediale und politische Widerstand gegen Trumps Bestrebungen ist deutlich, aber nicht einheitlich. Die Polarisierung der amerikanischen Öffentlichkeit erschwert eine geschlossene Verteidigung demokratischer Prinzipien. Für viele seiner Anhänger ist der Angriff auf bestehende Normen kein Problem, sondern Ausdruck politischer Entschlossenheit.

Ein Testfall für das amerikanische System

Die aktuelle Debatte über eine mögliche dritte Amtszeit ist mehr als eine Auseinandersetzung um einen Ex-Präsidenten. Sie ist ein Test für die Resilienz des amerikanischen Verfassungssystems. Noch schützt der 22. Zusatzartikel die USA vor einer Wiederwahl Trumps. Doch die politische Realität zeigt, dass auch festgeschriebene Normen nicht unantastbar sind, wenn der Wille zu ihrer Aushöhlung stark genug ist.

Trump selbst scheint entschlossen, genau diese Möglichkeit auszuloten – nicht notwendigerweise, um sie umzusetzen, sondern um sie als Mobilisierungsinstrument zu nutzen. Die symbolische Kraft der Idee einer dritten Amtszeit entfaltet Wirkung, selbst wenn sie verfassungsrechtlich vorerst unhaltbar bleibt. In einer Zeit, in der politische Grenzen zunehmend verschwimmen, könnte die Debatte um Trumps dritte Amtszeit zu einem Katalysator für eine tiefere Auseinandersetzung mit den Grundfesten der amerikanischen Demokratie werden.

Von Andreas Brucker

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