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Donald Trump nennt es einen „Tag der Befreiung“ – doch für Europa, insbesondere für Frankreich und Deutschland, droht es ein Tag der wirtschaftlichen Belastung zu werden. Der ehemalige US-Präsident hat unlängst signalisiert, weitreichende Strafzölle auf Importe in die Vereinigten Staaten verhängen zu wollen. Ob es sich um eine pauschale Importabgabe oder um sogenannte reziproke Zölle handelt, die spiegelbildlich auf ausländische Handelsbarrieren reagieren, ist derzeit noch offen. Die Stoßrichtung ist jedoch klar: Trumps Ziel ist es, die US-Industrie zu stärken, Einnahmen zu generieren und zugleich die internationale Handelsordnung grundlegend zu erschüttern.

Neue Zölle, alte Muster

Für Beobachter in Paris und Berlin sind Trumps Pläne ein Déjà-vu mit potenziell schwerwiegenderen Folgen. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump Zölle auf Stahl, Aluminium und Autos aus der EU erhoben. Damals konnte ein umfassender Handelskrieg durch diplomatisches Lavieren und sektorale Zugeständnisse abgewendet werden. Nun aber mehren sich die Anzeichen, dass es diesmal zu einem systemischen Bruch kommen könnte. In den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit lässt Trump wenig Bereitschaft erkennen, transatlantische Kompromisse zu suchen. Vielmehr richtet sich seine Rhetorik offen gegen Europa, das er als unfairen Profiteur des globalen Handels betrachtet.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kündigte an, man sei „vorbereitet zurückzuschlagen“, sollte Washington tatsächlich neue Zölle verhängen. Die EU habe „einen starken Plan“ und werde diesen auch umsetzen. In Paris reagierte man ähnlich unversöhnlich. Ein Meinungsbild in Frankreich zeigt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung amerikanische Produkte boykottieren würde, sollte Trump ernst machen. Die ablehnende Stimmung in Deutschland ist sogar noch deutlicher: Lediglich 16 Prozent der Befragten bezeichneten die USA im März noch als vertrauenswürdigen Partner.

Frankreichs Industrie unter Druck

Für Frankreich sind die möglichen Folgen vielfältig. Das Land exportiert jährlich Waren im Wert von rund 50 Milliarden Euro in die USA – darunter vor allem Flugzeugteile, Wein, Luxusgüter und pharmazeutische Erzeugnisse. Gerade die französische Luxusindustrie, die stark vom US-Markt abhängt, könnte durch neue Zölle empfindlich getroffen werden. Zudem ist Präsident Emmanuel Macron bemüht, Frankreich als globale Handelsmacht zu positionieren. Ein eskalierender Handelsstreit mit den USA würde dieses strategische Ziel gefährden – und zugleich innenpolitisch als Schwäche gewertet.

Macrons Bemühungen um eine europäische Industriepolitik erhalten durch die US-amerikanische Abkehr vom Multilateralismus zusätzliche Dringlichkeit. Frankreich drängt bereits seit Jahren auf eine koordinierte europäische Antwort auf chinesische und amerikanische Subventionspolitik. Sollte Trump seine Pläne realisieren, dürfte dieser Impuls weiter verstärkt werden.

Deutschlands Exportmodell in Gefahr

Noch gravierender sind die Auswirkungen auf Deutschland. Als größte Volkswirtschaft Europas und weltweit drittgrößter Exporteur ist Deutschland in besonderem Maße von freien Märkten abhängig. Die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner außerhalb Europas. Der Fokus liegt auf Maschinenbau, Automobilindustrie und chemischen Produkten – allesamt Sektoren, die Trumps Politik ins Visier nimmt. Bereits 2018 drohte Trump mit Strafzöllen auf deutsche Autos, ein Schritt, der damals in letzter Minute abgewendet wurde. Eine Neuauflage dieses Szenarios würde das deutsche Exportmodell ins Mark treffen.

Hinzu kommt die konjunkturelle Lage: Deutschland kämpft mit schwachem Wachstum, hoher Inflation und einem brüchigen industriellen Rückgrat. Neue US-Zölle könnten die fragile Lage verschärfen und eine Rezession auslösen. Die deutsche Wirtschaft stünde damit vor einem Dilemma: Einerseits ist sie auf internationale Märkte angewiesen, andererseits wird der politische Druck steigen, sich stärker autark und europäisch zu positionieren.

Der lachende Dritte: China

Während Europa um Schadensbegrenzung bemüht ist, beobachtet man in Peking die Entwicklungen mit Genugtuung. Chinesische Analysten sehen in Trumps Konfrontationskurs eine historische Chance. Wang Yiwei, Professor an der Renmin-Universität, sprach gegenüber der Zeitung El País von einem „historischen Bruch“ in den transatlantischen Beziehungen, der eine Annäherung Europas an China begünstigen könnte. Die monatelangen Bemühungen der Biden-Regierung, die EU auf einen härteren Kurs gegenüber China einzuschwören, drohen zunichtegemacht zu werden.

Tatsächlich zeigt sich in den Hauptstädten Europas ein wachsendes Interesse an strategischer Autonomie. Der Bruch mit den USA könnte, so die Hoffnung in Peking, zu einer pragmatischeren Haltung Europas gegenüber China führen. Schon jetzt bemüht sich Peking, neue Gesprächskanäle zu öffnen – etwa in Form trilateraler Wirtschaftsforen mit Japan und Südkorea, an denen auch europäische Beobachter teilnehmen sollen.

Der Rückzug Amerikas aus der multilateralen Ordnung

Die USA selbst geben sich unterdessen unbeeindruckt vom Unmut ihrer Verbündeten. Trumps Regierung arbeitet an einer umfassenden Transformation des Staates – verbunden mit dem Rückbau föderaler Institutionen, Angriffen auf die Zivilgesellschaft und autoritären Tendenzen. Handels- und Außenpolitik sind dabei Ausdruck eines umfassenderen Paradigmenwechsels. In den Worten von Michael Froman, früherer US-Handelsbeauftragter und heutiger Präsident des Council on Foreign Relations: „Die Vereinigten Staaten betreiben eine Wirtschaftspolitik nach chinesischem Vorbild – nationalistisch, protektionistisch und staatszentriert.“

Dieser Wandel ist für Europa von strategischer Bedeutung. Frankreich und Deutschland stehen vor der Aufgabe, den multilateralen Konsens neu zu definieren – notfalls auch ohne amerikanische Beteiligung. Das bedeutet nicht nur wirtschaftspolitische Umstellungen, sondern auch eine Neujustierung außenpolitischer Prioritäten.

Während Washington sich abschottet, ist Europa gezwungen, sich als eigenständiger geopolitischer Akteur zu behaupten. Dies setzt jedoch eine klare Linie, wirtschaftlichen Mut und vor allem europäische Einigkeit voraus – Eigenschaften, die in den letzten Jahren nicht immer sichtbar waren.

Von Andreas Brucker

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