In der Türkei herrscht Ausnahmezustand – zumindest auf den Straßen. Seit der Verhaftung von Ekrem İmamoğlu, dem populären Bürgermeister von Istanbul und zentralen Oppositionsführer, tobt eine landesweite Protestwelle. Täglich strömen Hunderttausende Menschen auf die Straßen, um ihrem Zorn über die politische Entwicklung Luft zu machen.
Die Reaktion der Behörden? Hart bis gnadenlos.
Tränengas statt Dialog
Die Demonstrationen sind offiziell nicht genehmigt, dennoch lassen sich die Bürger nicht davon abhalten, ihren Unmut auszudrücken. Mit Transparenten, Parolen und einer spürbaren Portion Wut im Bauch stellen sie sich den Einsatzkräften entgegen. Diese wiederum reagieren mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen – als würde man einen Flächenbrand mit Benzin bekämpfen.
Inzwischen wurden über 1.100 Menschen festgenommen. Innenminister Ali Yerlikaya erklärte, viele von ihnen stünden im Verdacht, „terroristischen Organisationen“ anzugehören – eine Formulierung, die in der Türkei schon lange inflationär verwendet wird, wenn es um Regierungskritiker geht.
Unter den Festgenommenen: Journalisten, Anwälte, Politiker.
Pressefreiheit unter Beschuss
Besonders auffällig ist die gezielte Repression gegen Medienvertreter. Mindestens zehn Journalisten, darunter auch ein Fotograf der französischen Presseagentur AFP, wurden noch vor Sonnenaufgang aus ihren Wohnungen in Istanbul und Izmir abgeführt. Der Gewerkschaftsverband Disk-Basin-Is spricht von einem massiven Angriff auf die Pressefreiheit und warnt: „Das Recht der Öffentlichkeit auf Information wird mit Füßen getreten.“
Als wäre das nicht genug, mischt sich auch der oberste Rundfunkrat des Landes ein – allerdings nicht vermittelnd, sondern drohend. Medien, die zu ausführlich über die Proteste berichten, müssen mit Sanktionen rechnen. Und manche Sender beugen sich dem Druck, schrauben ihre Berichterstattung deutlich zurück.
Wenn Zensur zum Alltag wird
Diese systematische Einschüchterung der Presse erzeugt nicht nur ein Klima der Angst – sie führt auch zu einer gefährlichen Informationslücke. Wer sich informieren will, ist zunehmend auf soziale Medien angewiesen. Und selbst dort wird die Luft dünner: Accounts werden gesperrt, Inhalte gelöscht, Nutzer überwacht.
Das alles in einem Land, das einst als Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten galt – heute aber vor allem durch autoritäre Tendenzen auffällt.
Ökonomisches Beben
Und als ob die politischen Turbulenzen nicht schon genug wären, meldet sich nun auch die Wirtschaft zu Wort – allerdings auf ihre eigene Art. Die Istanbuler Börse zeigt deutlich rote Zahlen, die Landeswährung stürzt weiter ab. Vertrauen? Fehlanzeige.
Investoren sind nervös. Kein Wunder, wenn die politische Stabilität ins Wanken gerät und das Land in einem Dauerzustand der Eskalation verharrt.
Internationale Besorgnis – aber wie viel Einfluss bleibt?
Die Welt schaut hin. Kritische Stimmen aus Europa und den USA häufen sich, doch sie verhallen wie so oft ungehört. Zwar sind mahnende Worte schnell ausgesprochen – aber echte Konsequenzen? Die bleiben meist aus.
Und so fragt man sich: Wie lange hält die türkische Bevölkerung diesen Druck noch aus? Wie viele Journalisten müssen verhaftet werden, bevor der demokratische Gedanke endgültig unter Beton begraben wird?
Trotz allem – die Proteste halten an. Die Menschen geben nicht auf, kämpfen weiter für Gerechtigkeit, Meinungsfreiheit und Demokratie. Mit jedem Tag wächst nicht nur ihre Entschlossenheit, sondern auch das internationale Interesse.
Was daraus wird? Das steht in den Sternen. Aber eines ist sicher: Die Lage in der Türkei ist mehr als nur ein innenpolitisches Problem – sie ist ein Lackmustest für den Zustand der Demokratie in einer zunehmend autoritären Welt.
Von C. Hatty
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