Ab dem 1. Juli übernimmt Ungarn unter der Führung von Viktor Orban die rotierende Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union. Für viele in der EU gleicht dies einer Provokation. Orban ist bekannt für seine euroskeptischen Positionen und seine Regierung wird regelmäßig wegen Verstößen gegen den Rechtsstaat kritisiert und von der EU abgestraft. Es stellt sich die Frage: Ist Ungarn unter Orban überhaupt noch im Einklang mit den europäischen Werten?
Widerspruch auf ganzer Linie
Viktor Orban gilt als Enfant terrible der EU. Er stellt sich immer wieder gegen die Mehrheitsentscheidungen der Union und nutzt sein Vetorecht, um Entscheidungen zu blockieren oder zu verzögern. Ob es um die Unabhängigkeit der Justiz, die Rechte von LGBT-Gemeinschaften oder die Unterstützung der Ukraine geht – Ungarn steht oft auf der Gegenseite. Das führte bereits zu beispiellosen Sanktionen: 19 Milliarden Euro an EU-Geldern wurden eingefroren, weil Budapest die Prinzipien des Rechtsstaats nicht einhält.
Man muss sich fragen: Würde Ungarn heute der EU beitreten wollen, hätte es überhaupt eine Chance? Wahrscheinlich nicht, so sehr hat sich das Land von den gemeinsamen Werten entfernt.
Pro-Kreml-Kurs und Blockadepolitik
Besonders auffällig ist Orbans Nähe zu Russland. Während die meisten EU-Staaten in Zeiten des Ukraine-Konflikts eine klare Anti-Kreml-Position beziehen, schwimmt Ungarn gegen den Strom. Der litauische Außenminister machte im Mai seinem Ärger Luft und kritisierte, dass rund 40% der Entscheidungen zur Ukraine von Ungarn blockiert würden. Zwar stimmte Budapest schließlich der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kiew zu, doch militärische Hilfe bleibt ein Tabu. Mehr als sechs Milliarden Euro an europäischer Militärhilfe liegen deshalb auf Eis.
Ein Versprechen der Unparteilichkeit
Für die kommenden sechs Monate verspricht Ungarn, seine Präsidentschaft „unparteiisch“ zu führen. Doch kann man Orban beim Wort nehmen? Sein Slogan „Make Europe Great Again“ erinnert stark an Donald Trumps „Make America Great Again“ – eine Rhetorik, die in Brüssel kaum Anklang findet.
Ein halbvolles Glas?
Nun mag man sich fragen, ob diese Präsidentschaft wirklich so schädlich für die EU sein wird. Die kommenden Monate stehen im Zeichen interner Neuordnungen: Die Verteilung wichtiger Posten und die Nominierung einer neuen Kommission werden dominieren. Die legislative Aktivität wird daher eher ruhig verlaufen. Zudem wartet Orban gespannt auf die Wahlen in Frankreich, in der Hoffnung, mit einem möglichen Rechtsruck einen weiteren Verbündeten für seine Vision einer nationalstaatlich geprägten EU zu gewinnen.
Ein Blick in die Zukunft
Doch was bedeutet das alles für die EU? Wird Orbans Präsidentschaft zu einer weiteren Zerreißprobe für die Union oder gelingt es den anderen Mitgliedsstaaten, den Schaden zu begrenzen? Die kommenden sechs Monate werden zeigen, ob Viktor Orban und seine Regierung wirklich in der Lage sind, das Ruder der EU in ihrer Hand zu halten, ohne weiter gegen den Strom zu schwimmen.
So bleibt es spannend, wie die EU unter ungarischer Führung agieren wird. Sicher ist: Es wird keine ruhige Zeit – doch vielleicht wird sie auch weniger turbulent, als manch einer befürchtet. Bleiben wir gespannt.
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