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Die Trump-Regierung will das sogenannte „Endangerment Finding“ von 2009 kippen – ein Angriff auf die rechtliche Basis der Klimaschutzregulierung

Mit der Entscheidung vom Juli 2025, das sogenannte „Endangerment Finding“ aus dem Jahr 2009 zurückzunehmen, kündigt die US-Regierung unter Donald Trump einen radikalen Bruch mit der bisherigen Klimapolitik an. Die Maßnahme trifft den Kern der bundesstaatlichen Regulierungskompetenz im Bereich des Klimaschutzes und dürfte weitreichende Konsequenzen für Umweltpolitik, Industrie und internationalen Klimaschutz haben.

Bereits einmal – in seiner ersten Amtszeit – hatte Trump zentrale klimapolitische Errungenschaften seines Vorgängers Barack Obama rückgängig gemacht. Doch mit der Rücknahme des „Endangerment Finding“ greift seine Regierung nun die Grundlage an, auf der fast sämtliche bundesstaatlichen Emissionsregelungen beruhen.

Was ist „Endangerment Finding“?

Das „Endangerment Finding“ wurde 2009 von der US-Umweltbehörde EPA unter Präsident Obama erlassen. Die Entscheidung beruhte auf umfassender wissenschaftlicher Evidenz und kam zu dem Schluss, dass Treibhausgase – insbesondere CO₂, Methan und Stickstoffoxide – eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit und das Wohlergehen darstellen.

Diese Einschätzung war keine politische Setzung, sondern die Umsetzung einer Entscheidung des Supreme Court von 2007 („Massachusetts v. EPA“). Damals hatte das oberste Gericht entschieden, dass die EPA nach dem Clean Air Act von 1970 verpflichtet sei, Treibhausgase zu regulieren, sofern diese als gesundheitsgefährdend einzustufen seien. Die EPA tat dies zwei Jahre später mit dem „Endangerment Finding“ – und begründete damit eine Ära verschärfter Emissionsvorgaben für Industrie, Verkehr und Energieerzeugung.

Trump-Regierung will rechtliche Grundlage kippen

Die nun angekündigte Rücknahme dieser Entscheidung ist ein politischer und juristischer Paukenschlag. Lee Zeldin, von Donald Trump eingesetzter EPA-Direktor und profilierter Klimaschutzkritiker, argumentiert, der ursprüngliche Beschluss von 2009 sei auf „intellektuellen Abkürzungen“ und politischer Voreingenommenheit basiert. Er kündigte an, die neue Linie werde „die größte Deregulierungsmaßnahme in der Geschichte der Vereinigten Staaten“ darstellen.

Im Zentrum steht die vollständige Aufhebung der bisherigen Emissionsstandards – insbesondere im Automobilsektor, wo Verbrauchs- und Emissionsvorgaben erheblich gelockert oder ganz abgeschafft werden sollen. Auch die Industrieemissionen, etwa in der Schwerindustrie oder der Stromerzeugung, wären von einer Deregulierung betroffen.

Die Rücknahme des „Endangerment Finding“ hätte zur Folge, dass der EPA künftig die gesetzliche Grundlage fehlt, um überhaupt noch Emissionsregeln zu erlassen. Klimapolitische Maßnahmen auf Bundesebene wären damit faktisch obsolet.

Wissenschaftlicher Konsens versus politisches Kalkül

Die Argumentation der Trump-Regierung ignoriert dabei den nahezu vollständigen wissenschaftlichen Konsens über die schädlichen Auswirkungen von Treibhausgasen. Die ursprüngliche Entscheidung der EPA stützte sich auf umfangreiche Datenreihen der NASA, NOAA und IPCC – allesamt Organisationen mit hoher wissenschaftlicher Reputation.

Dass dieser Konsens nun unter Verweis auf angebliche wirtschaftliche Schäden infrage gestellt wird, verweist auf eine tiefgreifende ideologische Verschiebung: Umweltpolitik wird nicht mehr als technokratischer Bereich behandelt, sondern als Teil eines kulturpolitischen Kampfes, in dem Begriffe wie „Klimagerechtigkeit“ oder „grüne Bürokratie“ gezielt als Feindbilder stilisiert werden.

Lee Zeldin betonte in einem Interview, Konservative seien durchaus umweltbewusst, lehnten aber „die Zerstörung der amerikanischen Wirtschaft im Namen ökologischer Moralideologie“ ab. Damit stellt die EPA unter Trump das gesamte Leitbild des vorsorgenden Umweltschutzes infrage – und verkehrt die Rolle der Behörde von einem Regulator in einen Deregulator.

Was bedeutet das für den globalen Klimaschutz?

Die internationale Dimension dieser Entscheidung ist kaum zu überschätzen. Die Vereinigten Staaten sind nach China der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen. Wenn Washington sich aus dem Klimaschutz faktisch zurückzieht, verlieren globale Abkommen wie das Pariser Klimaabkommen erheblich an Glaubwürdigkeit. Zwar können Bundesstaaten wie Kalifornien eigene, striktere Umweltvorschriften erlassen – doch ohne eine föderale Rahmensetzung bleibt die Wirkung begrenzt.

Zudem dürfte die Entscheidung Signalwirkung für andere Staaten entfalten. Wenn ein führendes Industrieland mit hoher historischer Emissionsverantwortung seine Klimaschutzverpflichtungen preisgibt, könnten auch andere Regierungen unter wachsendem innenpolitischem Druck versucht sein, ähnliche Rücknahmen zu legitimieren.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Entscheidung rechtlich angefochten wird. Mehrere Umweltorganisationen sowie demokratisch geführte Bundesstaaten haben angekündigt, gegen die Rücknahme des „Endangerment Finding“ zu klagen. Angesichts der konservativen Mehrheit im Supreme Court ist der Ausgang allerdings offen.

Die Rücknahme dieser Grundsatzentscheidung markiert somit nicht nur eine politische Kehrtwende – sie ist ein symbolischer Akt, der weit über Umweltpolitik hinausreicht. Er steht für eine Neuverhandlung des Verhältnisses von Wissenschaft, Politik und Regulierung in der amerikanischen Demokratie.

Autor: Andreas M. Brucker

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