Die US-Regierung macht Ernst: Google steht im Zentrum eines umfassenden Kartellverfahrens, das weitreichende Konsequenzen haben könnte. Die Kartellrechtsabteilung des Justizministeriums fordert in einem kürzlich eingereichten 23-seitigen Dokument die Zerschlagung von Google. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört der Verkauf des Chrome-Browsers und Einschränkungen für das Android-Betriebssystem. Diese Schritte sollen den Suchmaschinenmarkt wieder wettbewerbsfähig machen.
Warum Chrome im Visier steht
Google Chrome, der weltweit meistgenutzte Webbrowser, ist laut den Regulierern ein „kritischer Zugangspunkt“ zum Internet. Der Verkauf von Chrome würde laut Justizministerium anderen Suchmaschinen ermöglichen, gleichberechtigt im Markt zu agieren. „Es geht darum, Googles Kontrolle über diesen zentralen Zugangspunkt zu beenden“, heißt es im Antrag. Der Browser wurde 2008 eingeführt und hat heute einen Marktanteil von über 60 % – ein entscheidender Vorteil für Google, um die eigene Suchmaschine zu dominieren.
Einschränkungen für Android
Die Regulierer verlangen zudem, dass Android keine Bevorzugung von Googles eigener Suchmaschine mehr erlauben darf. Dies könnte bedeuten, dass Hersteller von Android-Geräten alternative Standards festlegen oder andere Suchmaschinen als Standardoption integrieren können.
Obwohl das Justizministerium Android nicht direkt zum Verkauf fordert, warnen die Behörden: Sollte Google weiterhin gegen Wettbewerbsgesetze verstoßen, könnte eine solche Forderung in Zukunft gestellt werden.
Zusätzliche Maßnahmen: Transparenz und Datenfreigabe
Zu den weiteren Strafen gehört ein Verbot von milliardenschweren Abkommen, durch die Google seine Suchmaschine als Standardoption auf Geräten wie iPhones absichert. Google gibt jährlich über 26 Milliarden Dollar aus, um diese Vorinstallationen zu gewährleisten. Die Behörde will solche Verträge künftig verbieten.
Darüber hinaus soll Google verpflichtet werden, die von Nutzern gesammelten Suchdaten auch Rivalen zugänglich zu machen, um diesen eine bessere Marktposition zu ermöglichen. Auch die Preisgestaltung für Werbeanzeigen in den Suchergebnissen soll transparenter werden, um Wettbewerbern und Werbetreibenden mehr Fairness zu bieten.
Googles Reaktion: „Radikaler Eingriff“
Kent Walker, Chief Legal Officer von Google, kritisierte die Vorschläge scharf. In einem Blog-Beitrag bezeichnete er die Forderungen als „radikalen Eingriff“, der nicht nur Google, sondern auch Innovationen im Bereich künstlicher Intelligenz (KI) bedrohe. Google sieht sich als Vorreiter in der KI-Entwicklung und warnt, dass Einschränkungen bei der Nutzung von KI für Suchanfragen negative Auswirkungen auf Nutzer und Technologie haben könnten.
Parallelen zu Microsoft: Ein Präzedenzfall
Die vorgeschlagenen Maßnahmen erinnern an den Versuch, Microsoft in den 1990er-Jahren zu zerschlagen. Damals wurde Microsoft vorgeworfen, seine Marktstellung mit dem Windows-Betriebssystem ausgenutzt zu haben, um Konkurrenz im Browser-Markt zu unterdrücken. Zwar entschied ein Gericht zunächst auf eine Aufspaltung, doch ein Berufungsgericht hob die Entscheidung später auf. Dieser Fall wird voraussichtlich auch das Google-Verfahren beeinflussen.
Rechtsexperten wie Shubha Ghosh von der Syracuse University sehen die vorgeschlagenen Maßnahmen als weitreichend, möglicherweise über das Ziel hinausgehend. „Die Strafe sollte dem Vergehen entsprechen, und das scheint hier etwas über das Ziel hinauszuschießen“, so Ghosh.
Was bedeutet das für Google und den Markt?
Sollte das Gericht die Empfehlungen umsetzen, müsste Google Chrome innerhalb von sechs Monaten verkaufen – ein massiver Einschnitt in das Geschäftsmodell des Unternehmens. Doch Google könnte in Berufung gehen, was den Prozess weiter in die Länge ziehen würde. Bereits jetzt dauert der Rechtsstreit über vier Jahre an.
Die Maßnahmen könnten auch Signalwirkung für andere Tech-Giganten haben. Unternehmen wie Apple, Amazon und Meta beobachten das Verfahren genau, da ähnliche Kartellvorwürfe gegen sie erhoben wurden.
Das politische Umfeld
Ein Machtwechsel im Weißen Haus könnte die Richtung des Verfahrens beeinflussen. Unter der Biden-Administration hatte Jonathan Kanter, Chef der Kartellrechtsabteilung, eine harte Linie gegen Big Tech gefahren. Doch mit dem Amtsantritt von Donald Trump im kommenden Jahr könnte es zu einer Neuausrichtung kommen. Trump äußerte sich zuletzt skeptisch gegenüber einer Zerschlagung von Google und sprach von der Notwendigkeit, „fairere Bedingungen“ zu schaffen, ohne das Unternehmen zu zerstören.
Ein Wendepunkt für Big Tech
Die anstehenden Gerichtsverhandlungen, die im April beginnen sollen, könnten eine entscheidende Wende in der Regulierung von Technologiegiganten markieren. Sollten die Maßnahmen umgesetzt werden, würde dies nicht nur Google, sondern den gesamten Suchmaschinen- und Browser-Markt nachhaltig verändern. Die Frage bleibt: Ist eine Zerschlagung wirklich der richtige Weg, um fairen Wettbewerb herzustellen, oder schafft sie nur neue Probleme?
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