Tag & Nacht




Pierre Legrand trat vor Gericht auf wie ein Mann, der die Wahrheit gepachtet hat – und die Welt einfach nicht verstehen will. Cowboyhut, Jeansjacke, die Brust geschwellt vom Glauben an ein Paralleluniversum aus juristischen Halbwahrheiten und konstruierter Souveränität. Was er jedoch nicht umgehen konnte: das Urteil.

Fünf Monate Haft auf Bewährung wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte – das war das Ergebnis des Prozesses gegen den selbsternannten „souveränen Bürger“, der sich weigert, den Staat überhaupt anzuerkennen.

Schon bei seiner Festnahme im April 2024 in Esquelbecq verweigerte Legrand einen simplen Alkoholtest – mit der Begründung, er „contracte pas“, also „geht keinen Vertrag ein“. Ein Jahr später saß er dann vor der Richterin in Dunkerque. Der 1. April – für ihn, der sich gern mit esoterischem Gedankengut umgibt, ein symbolisches Datum.

Sein Auftreten im Saal? Unverblümt und stur. Er nannte sich nicht „Herr Legrand“, sondern Pierre, Jean-Paul, Patrick, „einzig legitimer Vollstrecker“ des Namens Legrand. Mit solcher Wortakrobatik versuchen Verschwörungsideologen regelmäßig, sich der Rechtsordnung zu entziehen – in dem festen Glauben, der französische Staat sei eine Firma, ohne rechtliche Autorität.

Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist für Pierre Legrand bitterer Ernst.

„Ich unterwerfe mich nicht“

Die Aufforderung, sich „zu unterwerfen“, löst bei ihm beinahe allergische Reaktionen aus. „Nur weil jemand eine Uniform trägt, darf er nicht verlangen, dass man sich unterwirft“, ruft er aus. Die Richterin bleibt unbeeindruckt: „Doch, Monsieur.“ Ein klarer, nüchterner Satz – der mehr Gewicht trägt als alle wirren Theorien.

Legrand sagt, er hätte bei einer höflichen Bitte sogar den Alkoholtest gemacht. Er will sich – so seine neue Lebensvision – zusammen mit seiner ungeimpften Lebensgefährtin im Bereich der Naturheilkunde verwirklichen. Den Begriff „Gesetze“ jedoch lehnt er pauschal ab. Sie seien für ihn gleichbedeutend mit „Sklaverei“.

Seine Argumentation? Gespickt mit verdrehten Gesetzesauslegungen und historischen Irrtümern. So zweifelt er am Gültigkeitsstatus des französischen Verkehrsrechts, weil es – seiner Meinung nach – von Charles de Gaulle unterzeichnet wurde, als dieser kein amtierender Präsident gewesen sei. Klingt absurd? Ist es auch.

Und dann kommt noch die Behauptung, Emmanuel Macron habe während der Pandemie gesagt, Unverantwortliche seien keine Bürger mehr – also sei ihm quasi die Staatsbürgerschaft aberkannt worden.

Was kommt als Nächstes? Dass die Erde flach ist?

Realität trifft auf Wahn

Die Richterin jedoch bleibt auf dem Boden der Tatsachen. Sie konfrontiert Legrand mit den konkreten Vorwürfen: Fahren ohne Versicherung, Verweigerung des Alkoholtests, das gefährliche Manövrieren seines Fahrzeugs während des Polizeieinsatzes. Besonders das Argument, er sei „in Notwehr“ vor einem bewaffneten Gendarmen zurückgewichen, stößt auf Skepsis. „Zwei Tage nach dem Vorfall haben Sie doch eine Versicherung abgeschlossen!“, hält ihm die Richterin entgegen – die finanzielle Not scheint also kein dauerhaftes Hindernis gewesen zu sein.

Und obwohl Legrand Teile der Tat einräumt, bleibt er unnachgiebig. Den Arm des Polizisten habe er nicht gegriffen, sondern „begleitet“. Aus Angst, so sagt er, habe er lediglich versucht, sich „in Sicherheit zu bringen“.

Am Ende doch verurteilt – und trotzdem zufrieden

Am Ende steht eine Verurteilung wegen vier von fünf Anklagepunkten. Die Strafe fällt moderat aus: fünf Monate auf Bewährung, zwei Jahre Ineligibilität für öffentliche Ämter und 500 Euro Schmerzensgeld an den betroffenen Gendarmen. Immerhin – sein Vorstrafenregister war leer.

Doch an Einsicht mangelt es weiterhin.

Legrand zeigt sich nach dem Urteil erstaunlich zufrieden: „Ich habe mit einer Verurteilung gerechnet“, sagt er lachend zu den wartenden Medien. Er, der sich lediglich dem Fantasiegericht „International Common Law Court“ unterstellt sieht, kündigt an, sich bis vor die Europäische Menschenrechtskonvention und den Internationalen Strafgerichtshof zu kämpfen – trotz fehlender juristischer Grundlagen.

Warum tun sich Menschen wie er so schwer mit der Realität?

Der Fall Pierre Legrand ist ein Paradebeispiel für die Absurdität der „souveränen Bürger“-Bewegung, die sich vor allem in sozialen Netzwerken nach der Corona-Pandemie ausgebreitet hat. Sie lebt von Rechtsverdrehungen, diffusen Ängsten und einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Staat – gewürzt mit einer Prise Esoterik und Größenwahn.

Doch wenn die Realität anklopft, bleibt auch ein „Souveräner Bürger“ nicht ewig Herr im eigenen Rechtsstaat.

Von C. Hatty

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