Es ist ein Vorgang, der in seiner Absurdität kaum zu überbieten scheint: Rund 10 Millionen Dollar an Verhütungsmitteln, gelagert auf europäischem Boden, sollen vernichtet werden. Nicht, weil sie abgelaufen wären. Nicht, weil sie fehlerhaft wären. Sondern weil die USA – ihr ursprünglicher Absender – sich schlicht weigern, sie weiterzugeben. Was steckt dahinter?
Die betroffenen Präparate, vor allem Langzeitverhütungsmittel wie Implantate und Injektionen, stammen aus einem Vorrat der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID. Ursprünglich waren sie für Frauen in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen bestimmt – also Regionen, in denen ein sicherer Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung nicht selbstverständlich ist.
Doch dann kam die Trump-Regierung.
Mit ihr wurde USAID in ihrer bisherigen Form stark zurückgefahren. Humanitäre Programme gerieten unter Druck, viele Hilfsgüter blieben liegen. So auch die fraglichen Verhütungsmittel, die nun in europäischen Lagerhallen auf ihr Ablaufdatum warten. Anstatt sie zu spenden, etwa an NGOs wie Médecins sans frontières, pocht die US-Regierung auf Vernichtung.
Warum?
Offizielle Begründungen gibt es kaum – doch Beobachter verweisen auf innenpolitische Motive: In den USA ist das Thema reproduktive Rechte derzeit ein Minenfeld. Der Supreme Court hat das nationale Recht auf Abtreibung gekippt, in vielen Bundesstaaten tobt ein Kulturkampf um Sexualaufklärung und Verhütung. Jede Geste, die als Unterstützung von Familienplanung interpretiert werden könnte, birgt innenpolitisches Risiko.
In Frankreich hingegen sorgt die Entscheidung für Empörung.
Insbesondere Politikerinnen und Politiker von La France insoumise und den Grünen fordern Präsident Emmanuel Macron zum Handeln auf. Ihr Appell: Frankreich soll sich gemeinsam mit der EU gegen die Zerstörung einsetzen – und NGOs unterstützen, die die Verhütungsmittel weitergeben könnten.
„Diese Produkte zu vernichten, während Millionen Frauen weltweit keinen Zugang zu Verhütung haben, ist ein ethisches Desaster“, erklärt eine Abgeordnete der Grünen. Es sei nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen, sondern ein Frontalangriff auf die Prinzipien von Gesundheitsgerechtigkeit und internationaler Solidarität.
Auch außerhalb des Parlaments wächst der Druck.
Hilfsorganisationen, die sich seit Jahren in Krisenregionen engagieren, machen klar: Sie sind bereit, die Präparate schnell und effizient zu verteilen. Doch ihre Angebote wurden bislang von Washington ausgeschlagen. Selbst Notlösungen – etwa eine Übergabe über Drittstaaten – sind offenbar vom Tisch.
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf.
Was passiert, wenn ein Land mit enormer außenpolitischer Reichweite beschließt, seine humanitäre Rolle einzuschränken? Tragen andere – in diesem Fall europäische – Staaten dann eine moralische Verantwortung, einzuspringen? Oder sind ihnen bei rein bilateralen Entscheidungen die Hände gebunden?
Gerade im Gesundheitsbereich ist internationale Kooperation essenziell. Ohne gemeinsames Handeln, ohne Koordination über Grenzen hinweg, bleiben viele Initiativen Stückwerk. Die Zerstörung dringend benötigter Verhütungsmittel mitten in Europa illustriert schmerzhaft, wie brüchig solche Partnerschaften sein können.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: die Symbolik.
Verhütungsmittel stehen nicht nur für Familienplanung, sondern für Selbstbestimmung, Bildung, wirtschaftliche Perspektive – besonders für Frauen. Ihre bewusste Vernichtung sendet ein fatales Signal. Wer sie durchsetzt, nimmt in Kauf, dass Menschen in Armut auf fundamentale Rechte verzichten müssen.
Die Reaktion der französischen Linken ist daher nicht nur politischer Protest – sie ist auch Ausdruck einer grundsätzlichen Haltung. Einer Haltung, die sagt: Gesundheit darf nicht nach politischer Opportunität bewertet werden. Und Solidarität endet nicht am Rand des Wahlkreises.
Bleibt die Frage: Reagiert Macron?
Bislang hält sich der Élysée bedeckt. Dabei könnte ein deutliches Signal – etwa in Richtung EU-Kommission – Bewegung in die Sache bringen. Denkbar wäre etwa ein gemeinsames diplomatisches Angebot an die USA oder die Einrichtung eines europäischen Notfonds, um solche Güter zu übernehmen und weiterzugeben.
Denn eins steht fest: Wegsehen ist keine Lösung.
Autor: C. Hatty
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