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Mitten im Herzen der Ardennen, südlich von Rethel, sollte ein Prestigeprojekt entstehen – der Windpark „Mont des Quatre Faux“. Geplant waren 63 Windräder mit einer Gesamtleistung von 226 Megawatt. Genug Energie, um rund 250.000 Menschen zu versorgen. Ein echtes Kraftpaket der Energiewende. Doch nun ist Schluss mit den hochfliegenden Plänen.

Die Cour administrative d’appel de Nancy hat die bereits erteilten Genehmigungen kurzerhand einkassiert. Ein juristischer Paukenschlag, der weit über die Grenzen der Region hinaus hallt. Warum? Weil es sich nicht nur um ein einzelnes Projekt handelt – sondern um ein Symbol.

Wenn die Windräder zum Streitfall werden

Eigentlich sollte der Windpark ein Musterbeispiel für grüne Energie sein. Doch schon während der Planung regte sich Widerstand. Viele Anwohner fühlten sich übergangen – und vor allem: gestört. Sie sorgten sich um das Landschaftsbild, den Schutz der Tierwelt und die Lärmbelastung. „Wir sind nicht gegen Windkraft – aber nicht vor unserer Haustür“, lautete der Tenor.

Diese Haltung ist kein Einzelfall. Studien, wie jene der Chaire Energy for Society der Grenoble École de Management, zeigen ein klares Muster: Die Zustimmung zur Windkraft nimmt rapide ab, sobald es um konkrete Projekte in der Nähe des eigenen Wohnortes geht.

Klingt widersprüchlich? Ist es auch. Und dennoch menschlich.

Was bedeutet das für Frankreichs Energiewende?

Frankreich steht – wie viele Länder – unter Druck, seine Klimaziele zu erreichen. Erneuerbare Energien gelten als Schlüssel dazu. Doch was auf dem Papier gut aussieht, entpuppt sich in der Praxis als Kraftakt. Denn: Der Teufel steckt im Detail – und im Genehmigungsverfahren.

Laut der Union Nationale des Propriétaires Immobiliers wird derzeit rund jeder zweite Windpark in Frankreich vor Gericht angefochten. Genauer gesagt: Sieben von zehn Projekten landen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Weg von der Idee bis zur Inbetriebnahme ist also lang, steinig – und voller juristischer Fallstricke.

David gegen Goliath – oder doch eher Bürger gegen Bürokratie?

Der Fall „Mont des Quatre Faux“ bringt ein grundsätzliches Problem ans Licht: Es fehlt nicht an Plänen, sondern an Akzeptanz. Die Energiewende wird oft als nationale Notwendigkeit verkauft, ohne die lokale Realität mitzudenken. Das Resultat? Frust, Verzögerung – und in diesem Fall sogar der komplette Stopp.

Doch wie ließe sich dieser gordische Knoten lösen?

Eine Möglichkeit: echte Bürgerbeteiligung von Anfang an. Nicht als Pflichtübung, sondern als zentrales Element der Planung. Wenn die Menschen spüren, dass sie gehört werden – und dass ihre Bedenken ernst genommen werden – wächst auch die Bereitschaft, solche Projekte mitzutragen.

Windkraft ja – aber wie?

Niemand stellt infrage, dass Windenergie ein wichtiger Pfeiler der Energiewende ist. Doch wenn neue Anlagen gebaut werden, muss auch geklärt werden: Wer profitiert? Und wer trägt die Last? Eine faire Verteilung von Chancen und Belastungen wäre ein erster Schritt in Richtung Versöhnung.

Vielleicht braucht es auch mehr kreative Lösungen – etwa Bürgerwindparks, bei denen die lokale Bevölkerung direkt beteiligt wird. Oder spezielle Fonds, die die Kommunen vor Ort unterstützen. Es geht darum, nicht nur Windräder zu bauen – sondern auch Brücken.

Und jetzt?

Der Windpark „Mont des Quatre Faux“ wird nicht gebaut. Zumindest vorerst. Ein Projekt, das einst als Meilenstein galt, ist zum Mahnmal geworden. Für eine verpasste Chance – aber auch für die dringende Notwendigkeit, neue Wege zu gehen.

Denn eines steht fest: Die Energiewende ist kein Selbstläufer. Sie verlangt mehr als Technik und Zahlen. Sie braucht Vertrauen, Mut – und vor allem: Menschen, die mitziehen.

Und Hand aufs Herz: Würden wir ein 180 Meter hohes Windrad direkt vor unserem Wohnzimmerfenster wirklich willkommen heißen?

Von Andreas M. Brucker

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