Tag & Nacht




Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich in einer eindringlichen Botschaft an Papst Leo XIV. gewandt. Zum ersten Mal seit dessen Amtsantritt fand ein direktes Gespräch zwischen dem ukrainischen Staatsoberhaupt und dem Oberhaupt der katholischen Kirche statt – und Selenskyj nutzte die Gelegenheit für eine emotionale Einladung und eine klare Bitte.

Das katholisch geprägte Land leidet seit über drei Jahren unter der russischen Invasion. Doch neben den täglichen Angriffen, den Verlusten und der fortschreitenden Zerstörung wiegt ein anderes Thema besonders schwer: die Deportation tausender ukrainischer Kinder nach Russland. Laut Kiew handelt es sich um eine gezielte Strategie zur Entwurzelung und Umerziehung – ein Vorgehen, das für viele Ukrainer an dunkle Kapitel der Geschichte erinnert.

„Eine solche Reise würde unseren Menschen echten Mut machen“, betonte Selenskyj mit Blick auf eine mögliche Papstvisite. Nicht nur die Gläubigen, sondern das gesamte Land sehne sich nach einem Zeichen der Hoffnung. Die Worte trafen einen Nerv. Inmitten des politischen Tauziehens und der militärischen Eskalation sticht der Appell an den Papst hervor wie ein Licht in düsterer Nacht.

Ob Leo XIV. der Einladung folgen wird, bleibt offen. Doch allein die Geste hat symbolischen Charakter – und könnte diplomatisch mehr bewirken als manch ein Treffen auf politischer Bühne.

Die Forderung nach Hilfe des Vatikans beim Rückholen der entführten Kinder rückt ein Thema ins Zentrum, das international bislang kaum konkrete Konsequenzen hatte. Was kann der Vatikan tun? Diplomatie, moralischer Druck, Vermittlung auf humanitärer Ebene – all das könnte Bewegung in eine festgefahrene Lage bringen. Die Frage ist nur: Hört Moskau überhaupt zu?

Parallel dazu laufen in Europa die Drähte heiß. In London trafen sich am Montag die Außenminister mehrerer europäischer Länder zu einem hochrangigen Krisengipfel – darunter auch Vertreter Frankreichs, Deutschlands und Polens. Im Fokus stand, wie Europa gemeinsam weiter Druck auf Russland ausüben kann. Frankreich schickte Benjamin Haddad, den Europaminister, während die EU durch ihre Außenbeauftragte Kaja Kallas vertreten war. Man munkelt, die Gespräche seien „entscheidend“ – das politische Vokabular für „wir hoffen, es passiert endlich was“.

Einige Tage zuvor hatten die westlichen Unterstützer der Ukraine Russland ein Ultimatum gestellt: Entweder ein sofortiger Waffenstillstand oder neue Sanktionen. Die Reaktion? Eher mau. Moskau zeigte sich wenig beeindruckt und bot stattdessen direkte Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ an – und zwar bereits ab Donnerstag. Daraufhin konterte Selenskyj und schlug ein persönliches Treffen mit Wladimir Putin in Istanbul vor. Ein kühner Zug – oder ein letzter Versuch, bevor alles weiter eskaliert?

Auch die USA meldeten sich zu Wort. Außenminister Marco Rubio sprach von einem „dringenden Bedürfnis nach einem Waffenstillstand“, ganz im Einklang mit den Europäern. Die Priorität Nummer eins sei es, das Blutvergießen zu stoppen. Doch wie oft wurde das schon betont, ohne dass etwas passierte? Worte gibt’s viele – Taten eher weniger.

Während Diplomaten sprechen, sprechen an der Front weiterhin die Waffen. Am Montag wurde ein Güterzug in der Region Donbass angegriffen – mutmaßlich mit einer Drohne. Die ukrainische Bahngesellschaft Ukrzaliznytsia meldete, dass der Lokführer verletzt wurde. Der Angriff reiht sich ein in eine Serie von Attacken mit über 100 russischen Drohnen seit Sonntagabend. Eine beängstigende Zahl.

Die Lage bleibt dramatisch. Trotz aller Gesprächsangebote scheint ein echter Frieden weiter entfernt als je zuvor. Und dennoch – es gibt sie, diese kleinen Zeichen von Hoffnung und Menschlichkeit, wie die Einladung an Papst Leo XIV und der Versuch, Kinder wieder nach Hause zu holen. Vielleicht liegt in solchen Gesten der Schlüssel zur Hoffnung?

Von Andreas M. Brucker

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