Es war nicht einfach nur Regen. Und es war auch kein isoliertes Wetterphänomen. Die Flutkatastrophe am 7. bis 10. März 2025 in Bahía Blanca, eine Hafenstadt im Süden der Provinz Buenos Aires, Argentinien, war ein weiteres, erschütterndes Kapitel in einem Buch, das längst geschrieben wird – dem Buch über die Folgen des Klimawandels. Doch diesmal gibt es nicht nur Bilder, Berichte und Emotionen. Es gibt auch wissenschaftliche Beweise, die den Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel auf den Punkt bringen.
WWA-Bericht bringt Licht ins Dunkel
Die internationale Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA) hat analysiert, was genau zu diesem Unwetter geführt hat. Ihre Diagnose ist eindeutig – und brisant.
Die massiven Regenfälle über Bahía Blanca seien mindestens doppelt so wahrscheinlich geworden durch den Klimawandel. Mindestens. Und damit nicht genug: Die begleitenden Hitzewellen, die dem Starkregen vorausgingen, wären praktisch unmöglich gewesen in einer Welt ohne den Einfluss des Menschen auf das Klima.
Klingt nach dramatischer Rhetorik? Ist es nicht. Es ist Statistik. Es ist Wissenschaft.
Wie kommt man zu so einem Ergebnis?
Die WWA untersucht extreme Wetterereignisse nach einem klaren Muster. Sie vergleicht reale Klimadaten mit modellierten Szenarien – also einer Welt „mit Klimawandel“ und einer hypothetischen Welt „ohne menschliche Emissionen“. Und in diesem Fall war die Differenz eklatant:
Ohne die zusätzliche Wärme in der Atmosphäre – gespeist durch Jahrzehnte von CO₂-Ausstoß und Waldzerstörung – hätten sich solche Bedingungen schlicht nicht ergeben. Die Hitzewelle, die tagelang das Land austrocknete und die Atmosphäre aufheizte, schuf ein explosives Gemisch. Als dann die Kaltfront aus Patagonien auf die feuchte und warme Tropenluft traf, entlud sich die Spannung in sintflutartigen Regenfällen.
Das Ganze ist ein wenig so, als hätte jemand ein Pulverfass in die Landschaft gestellt und nur darauf gewartet, dass ein Funke kommt.
Nicht „ob“ – sondern „wie oft“
Die eigentliche Brisanz liegt in der Wiederholung. Die WWA stellt klar: Solche Ereignisse werden nicht nur extremer, sondern auch häufiger. Und das bedeutet konkret – Städte wie Bahía Blanca brauchen mehr als Sandsäcke. Sie brauchen neue Systeme, neue Denkweisen, neue Prioritäten.
Denn was heute „ein Jahrhundertereignis“ genannt wird, könnte morgen schon alle zehn Jahre auftreten. Oder öfter.
Hitzewellen und Fluten: Zwei Seiten derselben Medaille
Besonders beunruhigend ist die Kombination aus aufeinanderfolgenden Extremereignissen. Erst die Hitzewelle, dann der Wolkenbruch. Für viele klingt das zunächst widersprüchlich – ist es aber nicht.
Der Klimawandel wirkt auf das ganze System: Höhere Temperaturen bedeuten mehr Verdunstung, die Atmosphäre speichert mehr Feuchtigkeit, und wenn sich diese entlädt, dann mit umso größerer Wucht. So entstehen Situationen, in denen Trockenperioden und Fluten einander jagen – wie Yin und Yang des Klimachaos.
Die WWA warnt: Genau solche Kettenreaktionen werden in einem wärmeren Klima zur Norm, nicht zur Ausnahme.
Klimaanalyse wird schneller und präziser
Erstaunlich – oder vielleicht eher: überfällig – ist, wie schnell diese Analysen heute erstellt werden. Früher dauerte es Monate oder Jahre, um den Einfluss des Klimawandels auf ein einzelnes Ereignis zu bestimmen. Heute sind es oft nur Tage. Dank neuer Datenquellen, leistungsfähiger Modelle und internationaler Kooperation.
Das ist mehr als ein wissenschaftlicher Fortschritt. Es ist ein Werkzeug zur politischen Verantwortung. Denn wenn man heute in fast Echtzeit zeigen kann, dass eine Flut wie in Bahía Blanca vom Klimawandel verstärkt wurde – dann kann niemand mehr sagen: „Das konnte ja keiner wissen.“
Was folgt daraus?
Die WWA fordert nicht nur bessere Frühwarnsysteme, sondern auch mehr Einsatz für Prävention, Risikokommunikation und Anpassung. Denn klar ist: Wenn wir jetzt nicht umsteuern, droht ein Jahrzehnt der Katastrophen.
Und, ganz ehrlich – wie viele Menschenleben sind uns politische Versäumnisse noch wert?
Es liegt in unserer Hand
Die Erkenntnisse der WWA sind unbequem. Sie lassen sich nicht wegdiskutieren. Aber sie geben uns auch etwas Entscheidendes: Klarheit. Und damit Handlungsspielraum.
Noch können wir das Steuer herumreißen – mit mutiger Politik, durchdachter Stadtentwicklung, sozial gerechtem Umbau und einem Blick aufs Ganze. Die Wissenschaft zeigt uns den Weg. Gehen müssen wir ihn selbst.
Von Andreas M. Brucker
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