Tag & Nacht




Früher dachte ich, Wetter sei einfach da – wie der Himmel oder das Rauschen der Bäume. Ich erinnere mich noch an meine Kindheit, barfuß im Sommerregen, lachend durch Pfützen springend. Der Regen war ein Spielpartner, der Schnee ein Zauberer, der Hitze nichts als eine Ausrede für Eis am Stiel.

Heute sehe ich den Wetterbericht mit einem Kloß im Hals. Wetter ist politisch geworden, spürbar, drängend. Wetter ist nicht mehr nur ein Gesprächsthema im Aufzug, sondern ein Spiegel dessen, was wir dieser Erde antun.

Der Welttag der Meteorologie, jedes Jahr am 23. März, erinnert uns daran, dass Wetter und Klima nicht dasselbe sind – aber untrennbar zusammenhängen. Und dass Meteorolog*innen nicht bloß die freundlichen Gesichter vor der Wetterkarte sind, sondern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die täglich versuchen, dem Chaos der Atmosphäre ein Stück Ordnung abzuringen.

Aber Hand aufs Herz: Hören wir ihnen wirklich zu?

Die Wetterextreme der letzten Jahre sprechen eine Sprache, die eigentlich jede und jeder versteht. Rekordhitze in Europa. Jahrhundertfluten, die keine hundert Jahre auf sich warten ließen. Dürreperioden, die Felder in Staub verwandeln. Und gleichzeitig: ein kollektives Schulterzucken, als sei das alles eben so, wie Aprilwetter nun mal sei.

Dabei liefern uns moderne Wetter- und Klimamodelle längst nicht mehr nur Prognosen für das Wochenende, sondern Frühwarnsysteme für die Zukunft. Sie sind ein Werkzeug der Resilienz – wenn wir es denn nutzen wollen.

Was mich wütend macht: Wie oft diese wissenschaftlichen Erkenntnisse ignoriert oder verwässert werden. Wie häufig politische Entscheidungsträger sich wettertechnisch überrascht geben – obwohl die Vorhersagen längst auf dem Tisch lagen. Und wie selten die Menschen hinter den Wetterkarten die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.

Meteorologie ist nicht nur Wissenschaft, sie ist auch Menschheitsdienst. Ohne sie würden viele Leben verloren gehen. Ohne sie wären Katastrophenschutz und Klimaanpassung wie ein Blindflug durch einen Sturm.

Aber wie oft danken wir dafür?

Was mir Hoffnung macht: die jungen Forscher*innen, die mit Leidenschaft neue Wege gehen, um Wetter und Klima besser zu verstehen. Die globale Zusammenarbeit, die Meteorologie zu einer der internationalsten Wissenschaften überhaupt macht. Und das stille, beharrliche Engagement derer, die Tag für Tag daran arbeiten, aus Daten Leben zu schützen.

Am Welttag der Meteorologie sollten wir innehalten – und zuhören. Dem Wind. Der Warnung. Der Wissenschaft. Denn das Wetter ist nicht einfach da. Es zeigt uns, wie es der Welt geht.

Und vielleicht – nur vielleicht – zeigt es uns auch, wie es uns selbst geht.

Ein Kommentar von Andreas M. B.

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