Georgetown, Washington D.C., ein Viertel wie aus dem Bilderbuch: mondäne Häuser, gepflegte Gärten, charmante Boutiquen – und eine kleine, feine Weinhandlung, die seit einem Vierteljahrhundert ihre Stammkundschaft mit Bordeaux, Chablis und Saint-Émilion verwöhnt. Doch drinnen, zwischen den Regalen voller Flaschen, wächst die Unsicherheit. Denn seit dem 7. August gilt: Auf europäische Produkte, darunter auch Weine, wird in den USA ein pauschaler Zoll von 15 % erhoben.
Ein Paukenschlag aus dem Weißen Haus, der nicht nur französische Winzer, sondern auch amerikanische Händler trifft – mit voller Wucht.
„Es trifft uns alle“ – ein Händler in Sorge
Bassam Al-Kahouaji lehnt an der Glasfront seines Geschäfts, die Arme verschränkt, der Blick nachdenklich. „Ich liebe dieses Viertel, ich liebe meine Kunden. Die sind uns seit 25 Jahren treu – hoffentlich bleibt das so.“ Doch sein Ton verrät: Er rechnet mit schwierigeren Zeiten.
Mit dem Zollaufschlag, eingeführt auf Geheiß von US-Präsident Donald Trump, verteuern sich seine französischen Weine um bis zu 40 %. „Eine Flasche, die bisher 25 Dollar gekostet hat, liegt bald bei 35 oder 40. Klar, dass da weniger gekauft wird.“ Seine nüchterne Einschätzung: „Es wird hart – für alle. Für Konsumenten, Importeure, Händler. Einfach für alle.“
Vorgeschmack auf eine bittere Wahrheit
Die Zahlen sprechen für sich: 40 % seiner Umsätze macht Al-Kahouaji mit französischem Wein – Bordeaux, Burgunder, Loire-Weine. Produkte, die seine Kundschaft nicht nur schätzt, sondern regelrecht zelebriert. Doch was passiert, wenn der Genuss plötzlich deutlich teurer wird?
John, Immobilienmakler und Stammkunde, hat darauf eine klare Antwort: „Ich liebe französische Weine – aber wenn die Preise steigen, wechsle ich zurück zu Kalifornischen. Ich zahl doch nicht mehr für das Gleiche. Das wäre nicht fair.“ Seine Worte klingen nicht trotzig, sondern resigniert – als hätte er das längst entschieden.
Hamsterkäufe im Weinregal
Bassam hat gehandelt, bevor es zu spät war. „Wir haben uns eingedeckt. Ein paar Monate reicht unser Vorrat noch – vielleicht bis Dezember.“ Danach? „Dann sehen wir weiter.“
Mit dieser Strategie ist er nicht allein. Viele kleine Händler in den USA haben versucht, sich durch Vorabbestellungen über Wasser zu halten. Doch der Spielraum ist begrenzt – vor allem, wenn die Preise weiter steigen und keine politische Lösung in Sicht ist.
Ein Handelsstreit mit Nachgeschmack
Die Strafzölle sind Teil eines umfassenderen Handelskonflikts, der längst nicht nur die Weinbranche betrifft. Ursprünglich als Druckmittel im Streit um Subventionen und Marktzugänge gedacht, entfalten sie nun ihre Wirkung auf ganz anderer Ebene: beim Abendessen, beim Gespräch über einen guten Jahrgang, beim Griff zur Weinflasche im Supermarktregal.
Was nach großer Politik klingt, trifft letztlich den Alltag der Menschen – und deren Geschmack.
Rückschritt statt Genusskultur
Frankreichs Winzer hoffen noch auf diplomatische Lösungen, die Regierung in Paris verhandelt hinter verschlossenen Türen. Auf der anderen Seite des Atlantiks hoffen Händler wie Bassam, dass dieser Konflikt nicht zur dauerhaften Belastung wird. Denn sie wissen: Ist die Kundschaft einmal weg, kommt sie nicht so schnell zurück.
Was bleibt, ist ein Gefühl der Ohnmacht. Und ein leiser Abschied von einer kulinarischen Brücke zwischen den Kontinenten, die jahrzehntelang funktioniert hat – Schluck für Schluck.
Und – wie viel Zoll darf ein Glas Geschmack eigentlich kosten?
Autor: C.H.
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