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Auch wenn Airbus das Jahr einigermaßen überstanden hat, dürfte die Krise die Luftverkehrsbranche noch lange beeinflussen. Angesichts dieser Herausforderung hat der Flugzeughersteller aus Toulouse eine Reihe von Vorteilen, insbesondere gegenüber Boeing.

Null Aufträge im Januar, nur zwei im Dezember, null im November. In den letzten drei Monaten ist der Absatz von Airbus mehr als ins Stocken geraten. Angesichts der sich zuspitzenden Luftverkehrskrise wird es immer schwieriger, Fluggesellschaften zu finden, die bereit sind, neue Flugzeuge zu kaufen. Im vergangenen Jahr verbuchte der in Toulouse ansässige Flugzeughersteller „nur“ 268 Bestellungen, ein Rückgang von 65% im Vergleich zu 2019. Aber, um ehrlich zu sein,  sind diese Zahlen schon ein großer Erfolg angesichts des globalen Kontextes.

Zur Erinnerung: Der Flugverkehr ist im vergangenen Jahr um 60% zurückgegangen, mit 1,8 Milliarden Passagieren weltweit, verglichen mit 4,8 Milliarden im Jahr 2019. In diesem beispiellosen Kontext sind alle Fluggesellschaften in die roten Zahlen gerutscht und haben nach Angaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) insgesamt 370 Milliarden Dollar verloren.

Muß man sich Sorgen um Airbus machen?
Finanziell am Ende ihrer Kraft, haben die privaten Passagierfluggesellschaften bereits massive Stellenstreichungen angekündigt: 36.000 bei United, 25.000 bei American Airlines, 22.000 bei Lufthansa, 20.000 bei Air Canada und ebenso viele bei British Airways, 12.000 bei Air France-KLM, 4.500 bei Easyjet, und so weiter. Über die Fluggesellschaften hinaus ist es die gesamte Airline-Branche, die ins Wanken gerät. Letzte Woche gab Aéroports de Paris den Verzicht auf den Bau des „T4“ bekannt, eines neuen Terminals mit geschätzten Kosten zwischen 7 und 9 Milliarden Euro, das 40 Millionen zusätzliche Passagiere hätte abfertigen können.

Müssen wir uns also Sorgen um Airbus machen? Wie das Sprichwort sagt: Wenn ich mich prüfe, mache ich mir Sorgen, wenn ich mich vergleiche, bin ich beruhigt. In der Tat ist die Situation für den großen amerikanischen Rivalen Boing viel alarmierender.

Boeing unterzeichnete 2020 nur 184 Aufträge, ein Rückgang von 25% gegenüber 2019, das bereits ein schlechtes Jahr war. Zusätzlich zu diesen Einbrüchen wurden 655 Bestellungen storniert oder umgewandelt, darunter 641 für 737 MAX Flugzeuge. Für das neue Langstreckenflugzeug 777X liegen nur 191 Bestellungen vor und die ersten Maschinen sollen frühestens 2023 ausgeliefert werden. Zusätzlich zu seinem Rekordverlust von 12 Mrd. $ im Jahr 2020 ist Boeing nun mit einer Verschuldung von 61 Mrd. $ belastet! Airbus wird an diesem Donnerstag seine Geschäftsergebnisse bekannt geben. Natürlich wird der Europäische Hersteller auch von der Krise betroffen sein, aber nicht so stark wie Boeing. Denn die Hubschraubersparte hat sich 2020 mit 268 Aufträgen recht gut gehalten und zum Cashflow des Konzerns beigetragen.

Auch die Sparte Verteidigung & Raumfahrt ist sehr gut aufgestellt. Die deutsche Luftwaffe hat 38 Eurofighter-Kampfflugzeuge für 5,5 Milliarden Euro bestellt, und Aufträge für sechs Telekommunikationssatelliten gingen im vergangenen Jahr an Airbus. Hinzu kommen die 12 Galileo-Satelliten, das europäische GPS, ein Auftrag, der für die Tochter Thales Alenia Space gewonnen wurde. „Ausnahmsweise wird die Sparte ‚Aeronautical Group‘ der Sparte Flugzeugherstellung zugute kommen, die wegen der Pandemie derzeit weniger effizient ist“, analysiert ein leitender Airbus-Manager in Blagnac. Auch wenn sich die Flugzeuge im Jahr 2020 weniger gut verkauften, hat die Firma eine solide Widerstandsfähigkeit gezeigt. „Im Zeitraum von 2003 bis 2019 haben wir trotz der Krisen, insbesondere der Finanzkrise im Jahr 2009, keine zwei Monate in Folge ohne einen Auftrag erlebt“, erinnert sich ein Mitarbeiter in der Airbus-Zentrale.

Was die Wirtschaftsspezialisten aber vor allem betrachten, ist das Verhältnis von Bestellungen zu Lieferungen. Im Idealfall sollte es gleich 1 sein, um so viele Flugzeuge zu verkaufen, wie die Fabriken in einem Jahr produzieren. Im Jahr 2020 ist das Verhältnis zwar auf 0,47 gesunken, aber Airbus war im Jahr davor dem Zeitplan vorausgeeilt. Der Hersteller erhielt sogar mehr Aufträge, als er liefern konnte. Der Auftragsbestand an auszuliefernden Flugzeugen liegt immer noch bei 7.184 Flugzeugen, was einer Produktionszeit von mehr als acht Jahren für die Werke in Toulouse entspricht. Und Airbus hatte im Jahr 2020 nur 48 Stornierungen zu verzeichnen und konnte so die Grundlagen seines Wachstums für die nächsten zehn Jahre festigen. Im Vergleich dazu schrumpfte der Auftragsbestand von Boeing aufgrund einer Kaskade von Auftragsstornierungen um insgesamt 1.026 Flugzeuge auf 4.223 im Jahr 2020, verglichen mit 5.900 zum Jahresende 2018.


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