Tag & Nacht




Ein diplomatischer Eklat zwischen Frankreich und Israel zieht international Aufmerksamkeit auf sich – und deutet womöglich auf eine tiefere Krise hin. Die Auseinandersetzung zwischen Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Benyamin Netanjahu wegen des Vorgehens Israels im Gazastreifen hat das Potenzial, das Verhältnis der beiden Länder dauerhaft zu belasten.

Der Ton ist rau, die Worte unversöhnlich. Netanjahu warf Macron vor, sich „auf die Seite einer mörderischen islamistischen Terrororganisation“ zu stellen und „deren abscheuliche Propaganda zu verbreiten“. Grund der Attacke: die französische Kritik an Israels Offensive in Gaza. Macron hatte die israelische Militäraktion in einem Interview auf dem Sender TF1 als „inakzeptabel“ und „eine Schande“ bezeichnet. Damit traf er einen Nerv – und rief massiven Widerstand aus Jerusalem hervor.

Doch worum geht es eigentlich im Kern dieser Eskalation?


Die humanitäre Katastrophe in Gaza

Seit Beginn der israelischen Offensive sind laut internationalen Berichten mehr als 52.000 Palästinenser ums Leben gekommen. Die allermeisten davon Zivilisten, viele davon Kinder. Krankenhäuser wurden schwer beschädigt oder sind komplett außer Betrieb, die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen. Essen, sauberes Wasser und Medikamente? Mangelware.

Das Europäische Krankenhaus in Khan Younès wurde so stark beschädigt, dass es nicht mehr erreichbar ist – ein Schlag ins Genick für ein bereits kollabierendes Gesundheitssystem.

Und während Gaza blutet, ringen Politiker weltweit um die Deutungshoheit: Wer trägt die Verantwortung? Wer schweigt, wer handelt?


Europas innere Zerrissenheit

Frankreich steht mit seiner Kritik nicht allein. Auch Italiens Premierministerin Giorgia Meloni äußerte sich besorgt und mahnte Israel zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts. In Brüssel, Berlin oder Madrid ist ebenfalls ein leises Umdenken zu spüren. Die einst bedingungslose Unterstützung Israels wird zunehmend hinterfragt.

Diese Entwicklung zeigt eine wachsende Spaltung innerhalb Europas. Die Fronten verhärten sich, alte Bündnisse bröckeln – nicht nur zwischen Staaten, sondern auch innerhalb der Gesellschaften. Während manche weiterhin die israelische Sicherheitspolitik verteidigen, fordern andere ein sofortiges Ende der Gewalt und eine radikale Neuausrichtung.


Frankreichs Rolle im Nahostkonflikt

Frankreich sieht sich traditionell als Vermittler im Nahostkonflikt. Doch mit Macrons jüngsten Äußerungen hat das Land eine neue Position eingenommen – direkter, kritischer und risikobereiter. Der französische Präsident fordert ein stärkeres Engagement der USA. Nur Washington, so Macron, habe die nötigen Hebel, um Netanjahu zu stoppen.

Ein deutliches Signal – aber auch ein Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit?

In der Tat fehlt es Europa an einer einheitlichen Außenpolitik. Während die USA trotz wachsender Kritik weiter als Israels wichtigster Verbündeter agieren, sucht Europa noch nach einer gemeinsamen Stimme. Und mittendrin: Frankreich, das gerade eine historische Grenze überschritten hat.


Zwischen Schuldzuweisungen und diplomatischer Verantwortung

Netanjahus Reaktion fiel so scharf aus, dass viele Beobachter von einem möglichen diplomatischen Bruch sprechen. Ist das Verhältnis zwischen Paris und Tel Aviv noch zu retten?

Vorerst wohl kaum. Doch das Schicksal der Menschen in Gaza darf dabei nicht aus dem Blick geraten. Die politischen Spannungen dürfen nicht dazu führen, dass die humanitäre Katastrophe weiter ignoriert wird. Wenn Kinder in Trümmern geboren werden und Ärzte bei Kerzenlicht operieren müssen – dann ist Schweigen keine Option.

Und was kommt jetzt?

Vielleicht ist genau dieser Moment – so bitter er auch ist – eine Chance. Eine Chance, neue Wege zu gehen, alte Muster zu durchbrechen und echte Friedensgespräche zu ermöglichen. Dafür braucht es Mut, Empathie und vor allem: einen langen Atem.


Was passiert, wenn der diplomatische Dialog scheitert und politische Interessen über das Leid von Zivilisten gestellt werden? Diese Frage sollte sich die internationale Gemeinschaft dringend stellen. Sonst droht der Nahe Osten weiter zu versinken – in Blut, Trauer und Sprachlosigkeit.

Von C. Hatty

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!