Tag & Nacht




Jacqueline Rivault kämpft nicht nur mit tiefer Trauer. Sie kämpft auch für Gerechtigkeit. Ihre beiden Enkelkinder, Janna (9) und Abderrahim (6), starben bei einem israelischen Luftangriff auf Gaza im Oktober 2023. Jetzt, im Juni 2025, hat die französische Großmutter offiziell Klage gegen Israel eingereicht – wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vorsätzlicher Tötung.

Die Geschichte hinter dieser Klage ist schmerzhaft. Und brisant.


Zwei junge Leben ausgelöscht

Die tödliche Nacht: Zwischen dem 23. und 24. Oktober 2023 wurde das Haus, in dem sich Yasmine Znaïdi mit ihren Kindern verschanzt hatte, von zwei Raketen getroffen. Das Gebäude befand sich zwischen Fallujah und Beit Lahia im Norden des Gazastreifens. Abderrahim war sofort tot. Janna kämpfte – monatelang – in einem Krankenhaus um ihr Leben. Vergeblich.

Die Familie war vor dem Angriff bereits aus ihrer Wohnung geflüchtet, auf der Suche nach einem sichereren Ort. Ein tragischer Irrtum – wie sich zeigte.


„Ich will, dass sie nicht vergessen werden“

Jacqueline Rivault reichte ihre Klage am 6. Juni 2025 beim Pariser Justizgericht ein, bei der Abteilung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Offiziell richtet sich die Anzeige gegen „Unbekannt“ – doch ausdrücklich genannt werden Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sowie das israelische Militär.

Ihre Beweggründe? Kein Hass, sagt sie. Sondern ein „Pflichtgefühl des Erinnerns“. Sie will, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden – und dass ihre Enkel nicht namenlos in der Statistik verschwinden.

Ein mutiger Schritt, den auch die französische Liga für Menschenrechte unterstützt.


Frankreichs Justiz in einem Dilemma

Juristisch gesehen ist der Fall kompliziert. Frankreich könnte tätig werden, da die Opfer die französische Staatsangehörigkeit hatten. Doch ähnliche Fälle in der Vergangenheit verliefen im Sand. Wird sich das nun ändern?

Rivaults Klage könnte zu einem Präzedenzfall werden – gerade, weil der internationale Druck auf Israel wächst. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch werfen Israel bereits seit Längerem Kriegsverbrechen vor.


Ein dunkler Schatten: die Mutter

Inmitten dieser juristischen Auseinandersetzung wirft eine weitere Tatsache dunkle Schatten auf den Fall: Die Mutter der toten Kinder und Tochter von Jacqueline Rivault, Yasmine Znaïdi, ist selbst keine Unbekannte. Seit 2016 wird sie per internationalem Haftbefehl gesucht – wegen mutmaßlicher Unterstützung terroristischer Organisationen.

Ihr wird vorgeworfen, über ihren Verein „Perle d’Espoir“ Gelder an Hamas- und Dschihad-Kämpfer verteilt zu haben. Ein französisches Gericht verurteilte sie 2019 in Abwesenheit zu sechs Jahren Haft.

Das stellt viele Beobachter vor die Frage: Inwieweit beeinflusst ihre Vergangenheit die juristische und öffentliche Bewertung des Falls?


Symbolischer Akt oder politische Wende?

Jacqueline Rivaults Schritt ist auch ein Zeichen. Ein Symbol für viele betroffene Familien, deren Stimmen in den Wirren des Nahostkonflikts untergehen. Ob ihre Klage je vor einem Richter verhandelt wird, bleibt offen – doch ihre Wirkung entfaltet sie schon jetzt.

Rivault sagt: „Ich hoffe, dass meine Aktion die französische Öffentlichkeit aufrüttelt.“ Ihr Ziel? Frankreichs Regierung soll nicht länger schweigen. Die juristische Initiative der Großmutter sendet ein deutliches Signal – weit über die Grenzen Frankreichs hinaus.


Was steht wirklich auf dem Spiel?

Diese persönliche Tragödie rührt an große Fragen: Wer trägt Verantwortung in einem asymmetrischen Krieg? Können einzelne Zivilisten gegen Staaten klagen? Und wo verläuft die Grenze zwischen Selbstverteidigung und Kriegsverbrechen?

Jacqueline Rivaults Klage ist mehr als nur ein juristisches Dokument. Sie ist ein Ruf – ein Ruf nach Menschlichkeit inmitten von Politik, Militärstrategien und internationalen Interessen.

Wie viele Großmütter auf dieser Welt hätten so gehandelt?


Ein Funke Gerechtigkeit in einem endlosen Konflikt

Am Ende steht eine erschütterte Frau mit gebrochenem Herzen – und der Entschlossenheit, aus dem sinnlosen Tod ihrer Enkelkinder einen Sinn zu machen. Vielleicht kann ihre Klage eines bewirken: Dass die Welt sich wieder an die Gesichter hinter den Zahlen erinnert.

Denn hinter jeder Statistik steht ein echtes Leben.

Und manchmal reicht eine einzige Stimme, um Dinge in Bewegung zu bringen.

Von Daniel Ivers

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!