In den Vereinigten Staaten zeichnet sich ein weiterer Akt im anhaltenden Machtkampf zwischen Bundesstaaten und der Bundesregierung ab. Eine Koalition von zwölf Bundesstaaten hat Ende April 2025 Klage gegen die Zollpolitik der Trump-Administration eingereicht. Bereits zuvor hatten sechzehn Bundesstaaten die Notstandserklärung von Präsident Donald Trump zum Bau einer Grenzmauer juristisch angefochten. Beide Verfahren werfen fundamentale Fragen über das Gleichgewicht der Gewalten im amerikanischen politischen System auf – insbesondere über den Umfang exekutiver Befugnisse in wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Belangen.
Ein Angriff auf Trumps wirtschaftspolitische Kompetenz
Die am US Court of International Trade in New York eingereichte Klage richtet sich gegen die 2024 eingeführten Einfuhrzölle, die Teil von Trumps wirtschaftspolitischer „Liberation Day“-Initiative sind. Diese sieht einen pauschalen Zollsatz von 10 Prozent auf Importe vor, wobei für bestimmte Länder wie China höhere Sätze gelten. Ziel ist es laut Trump, die heimische Wirtschaft zu schützen und Handelsungleichgewichte zu korrigieren. Kritiker hingegen befürchten massive Belastungen für Konsumenten und Unternehmen.
Die Kläger – Bundesstaaten von Oregon über Illinois bis Vermont – berufen sich auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA). Dieses Gesetz ermächtigt den Präsidenten, in Situationen außergewöhnlicher Bedrohungen von außen wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen. Die Kläger argumentieren, dass Trump mit der Einführung umfassender Zölle diese Kompetenz überschritten habe. Da weder ein akuter Notstand bestehe noch der Kongress zugestimmt habe, sei das Vorgehen rechtswidrig.
Deutliche Worte fand die Generalstaatsanwältin von Arizona, Kris Mayes, die die Zollpolitik als „wirtschaftlich rücksichtslos“ kritisierte. Auch William Tong, Generalstaatsanwalt von Connecticut, sprach von einer „versteckten Steuer“ für die amerikanische Mittelklasse. Beide fordern die sofortige Aufhebung der Zölle durch das Gericht.
Präsidiale Machtfülle und die Gewaltenteilung
Der Konflikt um die Zölle steht exemplarisch für die Debatte über präsidiale Machtbefugnisse im Handel. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Kongress dem Präsidenten schrittweise weitreichende Vollmachten zur Regulierung des internationalen Handels eingeräumt. Diese sollten es ermöglichen, rasch auf Krisen zu reagieren, ohne langwierige parlamentarische Verfahren abzuwarten. Kritiker argumentieren jedoch, dass sich daraus eine schleichende Aushöhlung der Gewaltenteilung ergeben habe, da der Präsident faktisch ohne parlamentarische Kontrolle wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen könne.
Das IEEPA, auf das sich die Bundesstaaten stützen, wurde 1977 erlassen, um dem Präsidenten Instrumente zur Bekämpfung von Bedrohungen aus dem Ausland an die Hand zu geben – ursprünglich etwa gegen feindliche Regime oder Terrorfinanzierung. Ob die gegenwärtige Zollpolitik diesen Kriterien genügt, ist fraglich. Das Verfahren vor dem Handelsgericht könnte somit nicht nur über Trumps konkrete Maßnahmen entscheiden, sondern auch Präzedenzwirkung für künftige Handelskonflikte entfalten.
Der parallele Konflikt um den Mauerbau
Die Klage gegen die Zollpolitik ist nicht die erste juristische Auseinandersetzung zwischen Bundesstaaten und der Trump-Regierung. Bereits 2019 hatten sechzehn Bundesstaaten die Notstandserklärung des Präsidenten zum Bau einer Grenzmauer an der Grenze zu Mexiko vor Gericht gebracht. Damals lenkte Trump Haushaltsmittel für den Mauerbau um, obwohl der Kongress diese Mittel nicht bewilligt hatte. Die Kläger sahen darin einen Verfassungsbruch, der das Budgetrecht des Parlaments untergräbt. Das Verfahren liegt seither bei den Bundesgerichten und könnte bis zum Obersten Gerichtshof gelangen.
Die Parallelen zwischen beiden Klagen sind unübersehbar: In beiden Fällen geht es um die Frage, ob der Präsident Befugnisse an sich ziehen darf, die traditionell dem Kongress vorbehalten sind – sei es bei der Kontrolle über den Bundeshaushalt oder in der Handelspolitik. Beide Fälle berühren fundamentale Prinzipien der amerikanischen Verfassung.
Ein tiefer Riss durch die politische Landschaft
Die Auseinandersetzungen spiegeln die politische und ideologische Spaltung der USA wider. Republikanisch regierte Bundesstaaten stützen Trumps Linie und argumentieren, dass starke exekutive Maßnahmen nötig seien, um Sicherheit und Wohlstand des Landes zu schützen. Demokratisch geführte Staaten hingegen wehren sich gegen die wachsende Machtfülle des Präsidenten und sehen die Gewaltenteilung gefährdet.
Diese Konflikte sind auch Ausdruck eines langfristigen Trends: Die Bundesregierung greift zunehmend auf Notstandsbefugnisse zurück, um politische Ziele gegen Widerstände durchzusetzen. Trump steht damit in einer Reihe mit seinen Vorgängern, wenngleich er das Instrumentarium in bislang unerreichtem Ausmaß nutzt. Der Präsident verteidigt die Zölle als notwendiges Mittel, um die Vereinigten Staaten gegen wirtschaftliche „Aggressionen“ von außen zu verteidigen. Gegner werfen ihm hingegen vor, die Märkte unnötig zu destabilisieren und die transatlantischen Beziehungen zu belasten.
Die juristische Klärung der Frage, wie weit präsidiale Vollmachten reichen, dürfte für die zukünftige Ausgestaltung der US-Politik von großer Bedeutung sein. Sollte das Gericht die Maßnahmen der Trump-Regierung kippen, wäre das ein wichtiger Sieg für die Gewaltenteilung und die föderale Ordnung. Bestätigt das Gericht hingegen Trumps Vorgehen, könnte dies den Weg für noch weitreichendere exekutive Eingriffe in Handel und Haushalt ebnen.
Die Vereinigten Staaten stehen somit an einem Scheideweg. Die Gerichte sind gefordert, Grundsatzentscheidungen über die verfassungsrechtlichen Schranken präsidialer Machtbefugnisse zu treffen. Das Ergebnis könnte weit über die aktuelle Zollpolitik hinausreichen und die institutionellen Spielregeln für kommende Jahrzehnte mitbestimmen.
Von Andreas Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!