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Ab welchem Einkommen ist eine Person in Frankreich als reich zu bezeichnen? Das Observatorium für Ungleichheiten übernimmt ein seit 20 Jahren in Deutschland geltendes Kriterium: das Doppelte des mittleren Lebensstandards. Das sind 3.673 € pro Monat für eine alleinstehende Person oder 5.500 € für ein Paar, jeweils nach Steuern. Das wären dann 4,5 Millionen Franzosen, d. h. 7,1% der Bevölkerung.

In Frankreich wird niemand gerne als reich bezeichnet. Mit dem Finger auf die „Ultrareichen“ zu zeigen, ist eine gute Methode, um von sich selbst abzulenken. Doch auch wenn sich manche lieber nur als „wohlhabend“ bezeichnen, lassen sich bei der Beobachtung des Lebensstandards echte Unterschiede zwischen den reichsten 10% der Franzosen und dem Rest der Bevölkerung feststellen.

In seinem zweiten Bericht über den Reichtum in Frankreich, der am Mittwoch vorgestellt wurde, schlägt das „Observatorium für Ungleichheiten“ vor, eine einfache, bereits in Deutschland verwendete Reichtumsgrenze zu verwenden: das Doppelte des mittleren Lebensstandards, d. h. 3.673 Euro netto pro Monat nach Steuern und Sozialleistungen für eine alleinstehende Person, 5.500 Euro für ein Paar ohne Kinder und 7.700 Euro für ein Paar mit zwei Kindern. In Frankreich trifft dies auf 4,5 Millionen Menschen oder 7,1% der Bevölkerung zu, während 7,3% der Deutschen über dieser „Wohlstandsschwelle“ leben. Darin sind sich die beiden Länder sehr ähnlich.

Anzumerken ist, dass, wenn man zu den reichsten 10% Franzosen gehören möchte, das erforderliche Einkommensniveau bei 3.328 Euro pro Monat nach Steuern liegt. Das erreichen etwa 6,4 Millionen Menschen. Die Einkommensschwelle für die reichsten 5% liegt bei 4.156 Euro pro Monat und betrifft 3,2 Millionen Menschen. Zum exklusiven Club der reichsten 1% gehören etwa 630.000 Menschen in Frankreich und nur 6.300 Personen gehören zu den reichsten 0,01%.

Reiche, Superreiche und Ultrareiche werden immer reicher
Die reichsten 1% verdienen mehr als 17.500 € pro Monat und die superreichen 0,01 % haben Einkommen von über 54.500 € pro Monat nach Steuern. Bei diesen Grossverdienern ermöglicht das Einkommen den Aufbau von Vermögen, die mit den Jahren exponentiell wachsen und vererbt werden, wodurch sich die Kluft zwischen den Reichsten und den Ärmsten ständig vergrößert.

Das Ergebnis: Innerhalb von 20 Jahren ist das Verhältnis zwischen der Höhe der Einkommen, die die reichsten 10% erhalten, und der Höhe der Einkommen, die die ärmsten 40% erhalten – was von Experten als „de Palma-Ratio“ bezeichnet wird – von 1 auf 1,06 gestiegen. Das bedeutet, dass die 6,4 Millionen wohlhabendsten Menschen genauso viel erhalten haben wie die 24 Millionen Ärmsten. Laut der World Inequality database von 2017 erwirtschaften die Reichen und Superreichen fast ein Drittel des Gesamteinkommens in Frankreich , obwohl sie. ur 10% der Bevölkerung ausmachen.

Das ist zwar viel weniger ist als in den 1920er Jahren, als die reichsten 10% die Hälfte des Gesamteinkommens in Frankreich verdienten. Das Observatoire des inégalités ist aber besorgt über den derzeitigen Trend infolge der Steuer- und Sozialleistungsreformen, die 2017 nach der Wahl von Emmanuel Macron eingeleitet wurden. „Die Reichen gewinnen wieder an Boden“, stellt der Bericht fest. „Die ärmsten fünf Prozent der Bevölkerung haben von diesen Maßnahmen nicht profitiert. Für die große Mehrheit der Bevölkerung beträgt der jährliche Gewinn 200 Euro. Er steigt im oberen Drittel auf 500 Euro jährlich und bei den reichsten 1% auf 3.500 Euro jährlich“.

Unter diesen Umständen fordert die Beobachtungsstelle für Ungleichheiten (Observatoire des inégalités) eine umfassende Reform der Besteuerung von Einkommen, Erbschaften und Vermögen. „Es geht nicht darum, sich auf die reichsten 1% zu konzentrieren“, schließt der Bericht, „sondern darum, die Solidarität eine neue Basis zu stellen und die Gesamtheit der Haushalte entsprechend ihrem Einkommen gerechter zur Kasse zu bitten.“

Die Reichen Frankreichs sind in der Regel älter als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das Durchschnittsalter der reichsten 10% liegt bei 57 Jahren, während die übrige Bevölkerung durchschnittlich 54,4 Jahre alt ist. 82% der Reichen sind Eigentümer ihrer Wohnung, während dieser Anteil bei den weniger wohlhabenden 90% der Bevölkerung auf 56% sinkt.

In beruflicher Hinsicht sind 51% der reichsten 10% der Bevölkerung leitende Angestellte, während in der übrigen Bevölkerung nur 11% leitende Posten bekleiden. Umgekehrt sind nur 17% der Reichen Angestellte und 6% Arbeiter, während ihr Anteil in der übrigen Bevölkerung 37% bzw. 27% beträgt. Anzumerken ist, dass Angestellte und Arbeiter, die zu den Haushalten mit dem höchsten Einkommen gehören, ihre Vermögen am häufigsten durch Erbschaft bekommen haben.

Die Schwelle für ein reiches Vermögen liegt bei 490.000 Euro, was dem Dreifachen des mittleren Vermögens entspricht. Laut Daten des Statistik-Instituts Insee von 2018 besitzen 1,2 Millionen französische Haushalte mindestens eine Million Euro Vermögen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die reichsten 10% über 46% des Vermögens aller Franzosen verfügen.


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