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In Russland, über dem der Schatten des Krieges in der Ukraine schwer lastet, scheint für die Superreichen die Sonne heller denn je zu scheinen. Ein paradoxes Phänomen, das Fragen aufwirft.

Trotz der anhaltenden Kriegssituation und der westlichen Sanktionen florieren Russlands Milliardäre. Laut dem neuesten Forbes-Ranking sind sie nicht nur zahlreicher geworden – ihre Vermögen wachsen ebenfalls. Wie kann das sein?

Zahlen, die beeindrucken

Forbes bringt es auf den Punkt: 120 russische Milliardäre stehen jetzt auf der Liste, 15 mehr als im Vorjahr. Damit hält Russland seinen Platz unter den Top 5 der milliardärreichsten Länder der Welt, gemeinsam mit Indien, China, den USA und Deutschland.

Mit 19 Neuzugängen und 59 Aufsteigern in der Milliardärsriege wächst das gemeinsame Vermögen um beeindruckende 72 Milliarden Dollar auf 577 Milliarden. Eine signifikante Erholung nach dem Einbruch im Jahr 2022, als westliche Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs die kollektive Billionärsfortüne auf fast 350 Milliarden Dollar sinken ließen.

Ein Beweis für die Unwirksamkeit der Sanktionen?

Ist dies nun ein Beleg für die Unwirksamkeit westlicher Sanktionen gegen Russland? Experten wie Nicolas Bouzou warnen davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Die wahren Auswirkungen der Sanktionen zeigen sich erst auf lange Sicht. Und dennoch: Russlands Wirtschaftswachstum von 3,6 % im letzten Jahr lag weit über den Prognosen des Internationalen Währungsfonds und den meisten westlichen Ländern.

Kriegswirtschaft als Treiber?

Die russische Wirtschaft profitiert teilweise von staatlichen Rüstungsaufträgen für den Krieg in der Ukraine. Zudem führt der Krieg, gepaart mit steigenden Energiepreisen, zu erhöhten Exporten im Sektor des flüssigen Erdgases. Vagit Alekperov, ehemaliger Chef des Ölkonzerns Lukoil, thront mit einem Vermögen von 28,6 Milliarden Dollar an der Spitze der russischen Milliardäre.

Die Situation wird noch dadurch verstärkt, dass der Krieg und die damit verbundenen Sanktionen ausländische Unternehmen aus Russland vertrieben haben, was zu einer Zunahme des Binnenkonsums führte.

Präsident Putin dürfte über diese Entwicklungen erfreut sein, preist er doch fortwährend die Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft. Doch wie steht es um den durchschnittlichen Lebensstandard in Russland? Diese Frage bleibt offen, da sich der Reichtum zunehmend in den Händen weniger konzentriert.

Warum also gelingt den russischen Milliardären in Zeiten globaler Unruhe und Unsicherheit ein derartiges Wachstum? Liegt es an der geschickten Anpassung an die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten oder einfach an der Fähigkeit, aus jeder Situation Kapital zu schlagen? Sicher ist: Während die Wirtschaftselite aufblüht, bleibt die Situation für den Durchschnittsbürger Russlands ungewiss.


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