In Turnberry, einem schottischen Golfresort im Besitz von Donald Trump, treffen an diesem Sonntag zwei politische Welten aufeinander: Der US-Präsident empfängt die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, zu einem Krisengespräch über drohende Strafzölle. Sollte es bis zum 1. August keine Einigung geben, will Trump sämtliche Einfuhren aus der EU mit einem pauschalen Zollsatz von 30 % belegen. Brüssel bereitet seinerseits Gegenmaßnahmen im Umfang von über 90 Milliarden Euro vor.
Der erneute Handelskonflikt – Rückkehr zur Konfrontation
Die transatlantischen Handelsbeziehungen stehen seit Trumps Rückkehr in das Weiße Haus wieder auf der Kippe. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte der Republikaner mit Strafzöllen auf Stahl, Aluminium und Automobilimporte aus Europa das transatlantische Verhältnis belastet. Nun droht eine Eskalation, die nicht nur den Warenhandel betrifft, sondern auch Dienstleistungen, insbesondere den digitalen Sektor.
Laut Angaben der Europäischen Kommission belief sich das Handelsvolumen zwischen der EU und den USA im Jahr 2024 auf rund 1.680 Milliarden Euro – der größte bilaterale Wirtschaftsaustausch der Welt. Ein pauschaler Zollsatz von 30 % auf sämtliche EU-Importe würde nicht nur europäische Exporteure massiv treffen, sondern auch US-Verbraucher und Unternehmen, die auf europäische Komponenten und Maschinen angewiesen sind. Ökonomisch droht ein Rückschlag in einer Phase, in der sich beide Volkswirtschaften erst allmählich von der postpandemischen und inflationsbedingten Konjunkturabschwächung erholen.
Brüssel zeigt Zähne – und ruft nach der „Anti-Coercion“-Klausel
Die Europäische Union hat unterdessen ihrerseits eine Liste mit US-Produkten vorgelegt, die im Fall einer Eskalation mit Zöllen belegt werden sollen. Das Volumen beläuft sich auf 93 Milliarden Euro, verteilt auf mehrere Sanktionswellen ab dem 7. August. Dabei will Brüssel nicht nur auf klassische Produkte wie Agrarerzeugnisse und Industrieexporte zielen, sondern auch den Zugang amerikanischer Tech-Unternehmen zum europäischen Markt einschränken.
Ein zentrales Instrument dabei ist der sogenannte „Anti-Coercion“-Mechanismus, ein 2023 verabschiedetes Gesetzesinstrument, das es der EU erlaubt, wirtschaftliche Erpressung durch Drittstaaten mit gezielten Maßnahmen zu begegnen. Dazu zählen unter anderem der Ausschluss von Unternehmen aus öffentlichen Ausschreibungen, der Entzug von Investitionsprivilegien sowie regulatorische Hürden für ausländische Investitionen.
„Europa darf sich wirtschaftlich nicht erpressbar machen“, sagte Binnenmarktkommissar Stéphane Séjourné in Brüssel. „Wir sind bereit, unsere Interessen entschlossen zu verteidigen.“
Trumps Deals – Ankündigungen ohne Substanz
Trump selbst gibt sich unterdessen siegessicher. Er verkündete jüngst Vereinbarungen mit mehreren Ländern, darunter dem Vereinigten Königreich und Japan. Japan habe laut Trump Investitionen im Wert von 550 Milliarden US-Dollar in den USA zugesagt – ein Betrag, der unter Experten erhebliche Zweifel hervorruft. Konkrete Vertragsinhalte oder Dokumente zu diesen angeblichen „Deals“ liegen bislang nicht vor, was in Brüssel als taktische Drohkulisse gewertet wird.
Auch gegenüber der EU verfolgt Trump offenbar das Prinzip „maximaler Druck“. Indem er mit flächendeckenden Zöllen droht, setzt er Brüssel unter Zugzwang – in der Hoffnung, einzelne Mitgliedstaaten zu bilateralen Zugeständnissen zu bewegen, ähnlich wie bei der Stahlkrise 2018. Damals war es ihm gelungen, Deutschland und Frankreich auseinanderzudividieren, ehe die EU eine einheitliche Linie fand.
Ein schwieriger Balanceakt für von der Leyen
Für Ursula von der Leyen ist das Treffen in Turnberry ein heikler diplomatischer Balanceakt. Einerseits muss sie die Einheit der EU wahren und entschlossen auftreten – insbesondere gegenüber einem US-Präsidenten, der institutionelle Lösungen scheut und stattdessen auf bilaterale Stärkeverhältnisse setzt. Andererseits gilt es, einen offenen Handelskrieg mit einem der wichtigsten Partner zu vermeiden – insbesondere in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten durch den Krieg in der Ukraine, die Spannungen im Indopazifik und die fragile Weltwirtschaft.
Ein mögliches Einlenken Trumps hängt wohl vor allem von innenpolitischen Erwägungen ab. Mit protektionistischen Tönen mobilisiert er seine Wählerschaft in den USA, wo wirtschaftlicher Nationalismus als wirksames politisches Mittel gilt. Gleichzeitig wäre ein Handelskrieg mit Europa riskant – ökonomisch wie diplomatisch.
Ob es in Turnberry zu einem Durchbruch kommt, bleibt offen. Trump selbst bezifferte die Chance auf Einigung auf „fifty-fifty“. Die Bühne für eine mögliche Konfrontation ist bereitet – mit Blick auf die künftige Rolle Europas in einer sich wandelnden Weltordnung.
Autor: P. Tiko
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