Seit mehr als 40 Tagen steht ein erheblicher Teil des US-Staatsapparats still. Nun hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Notlage für Millionen armutsbetroffene Amerikaner weiter verschärft. Mit einer Entscheidung vom 11. November 2025 setzte das Gericht die Auszahlung von Leistungen aus dem zentralen Lebensmittelhilfeprogramm SNAP vorerst aus. Damit dürfen die Bundesstaaten weiterhin keine Mittel des Bundes verteilen, auf die 42 Millionen Bürger angewiesen sind – inmitten einer sich verschärfenden sozialen Krise.
SNAP auf Eis: Wenn die Politik den Kühlschrank leert
Die Entscheidung des Supreme Court betrifft den Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP), besser bekannt als „Food Stamps“. Ursprünglich hatte ein untergeordnetes Gericht geurteilt, dass die Bundesregierung verpflichtet sei, die Auszahlung für den Monat November trotz Shutdown sicherzustellen. Doch Supreme-Court-Richterin Ketanji Brown Jackson verfügte in einem administrativen Entscheid eine Aussetzung des Urteils, um dem Justizapparat mehr Zeit zur Prüfung der Klage der Trump-Administration zu geben.
Diese juristische Verzögerung hat weitreichende Auswirkungen: Bundesstaaten erhalten damit keine Mittel, um Bedürftigen Essensmarken zukommen zu lassen. Besonders betroffen sind einkommensschwache Familien, Alleinerziehende, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung – viele von ihnen sind auf die monatliche SNAP-Unterstützung angewiesen, um überhaupt ausreichend Lebensmittel einkaufen zu können. In Kalifornien, Texas und Florida kam es zuletzt zu Schlangen vor Lebensmittelausgabestellen, wie Bilder aus Los Angeles eindrucksvoll belegen.
Eine politische Geiselhaft mit langer Geschichte
Die Ursache für diese dramatische Zuspitzung liegt in der politischen Blockade zwischen Demokraten und Republikanern. Seit dem 1. Oktober 2025 – dem Beginn des neuen Haushaltsjahres – konnte sich der Kongress nicht auf ein Haushaltsgesetz einigen. Die Konsequenz: der sogenannte „Shutdown“. Zahlreiche Bundesbehörden sind geschlossen, hunderttausende Angestellte ohne Gehalt, öffentliche Dienstleistungen drastisch eingeschränkt. Für Programme wie SNAP, die aus dem Haushalt des Landwirtschaftsministeriums finanziert werden, bedeutet das faktisch eine Einstellung der Zahlungen.
Bemerkenswert ist die politische Strategie hinter dem Vorgehen der Trump-Administration. Anstatt Rücklagen des Landwirtschaftsministeriums für die Auszahlung zu verwenden, argumentiert die Regierung mit haushaltsrechtlichen Grenzen und verweist auf die fehlende gesetzliche Grundlage. Kritiker werfen der Regierung vor, gezielt Druck auf den Kongress auszuüben, um ihre eigenen Budgetprioritäten – darunter massive Steuererleichterungen für Unternehmen – durchzusetzen.
Hoffnungsschimmer im Senat
Doch es gibt Anzeichen für ein mögliches Ende der Blockade. In der Nacht zum Dienstag verabschiedete der US-Senat mit 60 zu 40 Stimmen einen Gesetzentwurf, der den bestehenden Haushalt bis Ende Januar verlängern würde – ein sogenanntes „Continuing Resolution“-Gesetz. Dieses Verfahren wird häufig genutzt, um kurzfristige Regierungsstillstände zu beenden und Zeit für Verhandlungen zu gewinnen.
Auffällig ist, dass auch mehrere demokratische Senatoren für den Entwurf stimmten – offenbar aus pragmatischer Einsicht, dass die fortdauernde Blockade vor allem einkommensschwache Bevölkerungsteile trifft. Ob der Kompromiss jedoch Bestand haben wird, ist offen: Das republikanisch dominierte Repräsentanten will am Mittwoch über den Entwurf abstimmen. Dort könnte eine Gruppe harter Trump-Unterstützer die Einigung jedoch noch zu Fall bringen.
Die Rolle des Präsidenten
Sollte der Gesetzentwurf beide Kammern passieren, wäre Präsident Donald Trump am Zug. Er müsste das Übergangsbudget unterzeichnen, um den Shutdown offiziell zu beenden. Doch Trumps Verhalten in den letzten Wochen lässt Zweifel aufkommen. In mehreren öffentlichen Statements betonte er, dass er nur einem Budget zustimmen werde, das seine politischen Schwerpunkte abdeckt – darunter Grenzsicherung, Steuerpolitik und Kürzungen bei Sozialausgaben. Die SNAP-Krise könnte so Spielball in einem größeren politischen Machtkampf bleiben.
Gleichzeitig mehren sich Warnungen aus der Wirtschaft. Analysten befürchten, dass ein anhaltender Shutdown das Vertrauen in die fiskalische Steuerungsfähigkeit der USA untergräbt. Die Ratingagentur Fitch hatte bereits im Oktober angedeutet, eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit in Erwägung zu ziehen – mit potenziellen Folgen für die Zinslast des Landes.
Das Ringen um die SNAP-Mittel ist somit mehr als eine Verwaltungskrise. Es ist ein Lehrstück über die soziale Sprengkraft haushaltspolitischer Konflikte und die Fragilität staatlicher Fürsorge in einem tief polarisierten politischen System. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die politischen Eliten in Washington zur Vernunft zurückkehren – oder ob Millionen von Amerikanern weiter für die Haushaltskrise bezahlen müssen, mit leerem Kühlschrank und wachsender Verzweiflung.
Autor: Andreas M. Brucker
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