Tag & Nacht

Seit Ende Juli ist Frankreich mit einer historischen Dürre konfrontiert, die in weiten Teilen des Landes zu hoher Wasserknappheit geführt hat. Da sich dieses Szenario aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich in den kommenden Jahren wiederholen wird, suchen Wissenschaftler nach neuen Ressourcen. Sie lassen sich von Pionieren im Ausland, insbesondere in Wüstenländern, inspirieren und experimentieren mit verschiedenen Techniken.

In rund 100 französischen Gemeinden sind die öffentlichen Leitungen abgestellt und es fließt kein Wasser mehr aus den Hähnen. Die außergewöhnliche Trockenheit, die das Land seit Ende Juli heimsucht – die schwerste seit 1959 – hat Flüsse und Grundwasser austrocknen lassen. Die Regierung, die Kommunalverwaltungen haben strenge Beschränkungen einführen müssen und müssen zum Teil das Trinkwasser in Tankwagen heran holen oder in Flaschen verteilten.

Gleichzeitig fangen Experten und Wissenschaftler an, nach neuen Wegen suchen, um Wasser bereitzustellen und zu nutzen. In einigen Ländern sind einige dieser Ideen bereits weit verbreitet, doch in Frankreich haben sie noch Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, was oft auf strenge Vorschriften und Umweltbedenken zurückzuführen ist.

Wiederverwendung von Abwasser
„Frankreich und die Europäische Union müssen die Wiederverwendung von Abwasser modernisieren“, eird Julie Mendret, Forscherin am Institut für Membranen der Universität Montpellier, von France 24 zitiert. „Heute werden in Frankreich weniger als 1% des Brauchwassers aufbereitet und wiederverwendet. In Italien sind es 8% und in Spanien 14%“, erläutert sie. „Wir sind weit entfernt von einigen Ländern, in denen dies völlig normal ist, insbesondere in Golfstaaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und Katar. In Israel, das in diesem Bereich Pionierarbeit leistet, liegt der Anteil bei 80%.“

In Europa wird das Wasser, das in unseren Wasserhähnen landet, aus dem Grundwasser gewonnen und dann in Trinkwasseraufbereitungsanlagen gereinigt. Nach dem Verbrauch wird es in Kläranlagen gereinigt, bevor es wieder in Flüsse geleitet wird. Würde es entsprechend bearbeitet, könnte es wieder in die Wasserleitungen zurückgeführt werden.

In Frankreich werden täglich 19.000 m3 Abwasser wiederverwendet, um landwirtschaftliche Kulturen zu bewässern und Golfplätze zu bewässern. „Man könnte diese Verwendungszwecke durchaus ausweiten, um Straßen zu reinigen oder Grünflächen zu bewässern“, versichert Julie Mendret. „Und warum nicht noch einen Schritt weiter gehen und aus diesem recycelten Wasser wieder Trinkwasser reproduzieren?“

In der Vendée wird das Jourdain-Projekt demnächst mit einer solchen Lösung experimentieren. Anstatt ins Meer geleitet zu werden, soll ein Teil des Wassers aus der Kläranlage der Gemeinde Les Sables-d’Olonne ausgeleitet und aufbereitet werden, bevor es wieder in die Trinkwasserkreisläufe eingespeist wird. Das wäre eine europäische Premiere, wird aber zum Beispiel in Singapur und sogar im afrikanischen Namibia bereits umgesetzt.

Ihrer Meinung nach wird Frankreich durch „zu anspruchsvolle Vorschriften“ und Schwierigkeiten bei der Akzeptanz solcher Projekte auf lokaler Ebene gebremst. Im März hat die Regierung jedoch die Verwendungsmöglichkeiten für wiederaufbereitetes Wasser ausgeweitet, um das Grundwasser aufzufüllen oder Brände zu bekämpfen. Auf europäischer Ebene riefen die Mitgliedsländer am 3. August dazu auf, solche Projekte schneller voranzutreiben.

Klar ist allerdings auch, dass nicht alles Wasser wiederverwertet werden kann. Nicht selten ist es unerlässlich, das geklärte Wasser wieder in Flüsse einzuleiten, um die Fließgeschwindigkeit aufrechtzuerhalten und die Artenvielfalt zu schützen. Aber solche Optionen bleiben vor allem für Küstengebiete, in denen Abwasser oft ins Meer geleitet wird, sehr interessant. Ins Meer abgeleitetes geklärtes Brauchwasser ist verlorenes Süßwasser.

Nutzung von Regenwasser
Experten und Expertinnen rufen dazu auf, die Nutzung von Regenwasser, das a priori nicht trinkbar ist, in Privathaushalten zu einzuführen. In Frankreich ist das gesamte Wasser, das für die verschiedensten Anwendungen verbraucht wird, wertvolles Trinkwasser. Bisher darf man in Frankreich Regenwasser nur zum Gießen des Gartens verwenden. In Belgien oder Deutschland funktionieren viele Häuser bereits schon seit einige Zeit mit Zweikreissystemen: Das Trinkwasser kommt nur in die Wasserhähne, um es zu trinken und zu duschen. Der Rest, Toilettenspülungen etc., wird mit Regenwasser gespeist, das in individuellen Tanks gelagert wird.

Mit entsprechenden Systemen könnte man dieses nicht trinkbares Wasser sogar mehrfach verwenden. Einige L$änder recyceln es drei- oder viermal. In Israel sind es fünf oder sechs Kreisläufe, die diese „graue“ Wasser durchläuft.

Meerwasser entsalzen
Auf Korsika und in der Bretagne, in den kleinen Gemeinden Rogliano und auf der Insel Groix, wollten die Bürgermeister angesichts der Dürre eine andere Lösung ausprobieren: die Entsalzung von Meerwasser.

Wie das Recycling von Abwasser wird auch diese Technik im Ausland bereits häufig eingesetzt. Die Internationale Vereinigung für Entsalzung, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Industrieunternehmen und NGOs, zählt weltweit über 17.000 solcher Anlagen. Insgesamt sind mehr als 300 Millionen Menschen für ihren Wasserbedarf darauf angewiesen. Die größten Nutzer von Entsalzungsanlagen sind Saudi-Arabien und Israel. Auch die nordafrikanischen Maghreb-Staaten haben in den letzten Jahren massiv in diese Technik investiert. In Jordanien etwa soll bis 2026 eine Anlage am Roten Meer errichtet werden, die nach Angaben der Behörden 250 bis 300 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr produzieren soll, was etwa 750 Millionen Litern Wasser pro Tag entspricht.

Diese Technik bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Entsalzungsanlagen sind sehr energieintensiv und daher für viele Gemeinden noch zu teuer. Vor allem aber produziert sie das Abfallprodukt Salzlauge, deren Entsorgung noch nicht zufriedenstellend geregelt ist. Laut einem UN-Bericht werden im Durchschnitt für jeden erzeugten Liter Süßwasser 1,5 Liter dieses salzhaltigen Schlamms wieder in den Ozean geleitet, was die Ökosysteme durcheinanderbringen kann.

Nebel und Tau einfangen
Anderswo auf der Welt gibt es eine Unzahl von Lösungen in kleinerem Maßstab. In Chile zum Beispiel wird Wasser aus dem Nebel gesammelt. Diese Technik, die es schon seit der präkolumbianischen Zeit gibt, ist sehr einfach: An nebligen Tagen werden engmaschige Netze aufgestellt. Die kleinen Wassertröpfchen bleiben darin hängen und rieseln dann in Container. Ein billiges, umweltfreundliches und natürliches Verfahren, das jedoch nur unter ganz bestimmten Wetterbedingungen funktioniert.

Laurent Royon, Forscher am Interdisziplinären Laboratorium für Zukunftsenergien in Paris, untersucht die Möglichkeit, Tautropfen aufzufangen. „Diese Technik könnte überall eingesetzt werden, sogar in Wüsten, wo es nachts kalt ist“, wird der Wissenschaftler von France 24 zitiert. Experimente laufen bereits in Indien, Benin und Marokko. Die Ausbeute ist jedoch mit nur etwa 0,5 Litern pro Kubikmeter Luft und pro Nacht begrenzt.

Eisberge bewegen, Regen fallen lassen…
Während alle oben erwähnten Techniken bereits in mehr oder weniger großem Umfang weltweit eingesetzt werden, wollen andere Wissenschaftler noch einen Schritt weiter gehen und versuchen, bisher unerschlossene Wasserreservoirs anzuzapfen. In einer im Mai veröffentlichten Studie mit dem Titel „Unkonventionelle Wasserressourcen“ listen Forscher der Vereinten Nationen ein Dutzend solcher Möglichkeiten auf.

Doch einige dieser Wege erweisen sich letztlich als kontraproduktiv. Ein Beispiel ist die „Wolkenimpfung“, mit der man Regen auf Kommando auslösen könnte. Die Idee, die seit den 1960er Jahren vor allem in China erforscht wird, besteht darin, das das in der Erdatmosphäre in den Wolken vorhandene Wasser zu nutzen. Nur 10-15% des in den Wolken enthaltenen Wassers fällt letztendlich als Regen. Forscher versuchen, die Niederschlagsmenge zu erhöhen, indem sie Aerosole beispielsweise durch kleine Raketen oder Feuerwerkskörper in die Wolken schiessen. Das Problem ist, dass nicht nur die Wirksamkeit dieser Technik umstritten ist, sondern dass eine Änderung des Wetters auch Kettenreaktionen in anderen Teilen der Welt auslösen könnte, die nur schwer vorhersehbar sind.

Ebenso umstritten ist die Idee, Eisberge, die aus Süßwasser bestehen, zu bewegen. Fast vierzig Jahre lang beschäftigte dies den französischen Ingenieur Georges Mougin, der versuchte, riesigen Eisblöcke in Länder zu bewegen, die unter Dürre und Trockenheit leiden. Im Jahr 2010 kam man aber zu dem Schluss, dass es fünf Monate und 4.000 Tonnen Öl braucht, um einen Eisberg von Kanada auf die Kanarischen Inseln zu transportieren. Eine Idee also, die zu viele technologische, ökologische und finanzielle Probleme aufwirft.


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