Manche Daten in unserem Kalender wirken auf den ersten Blick unscheinbar – doch schaut man genauer hin, offenbaren sie ein überraschend dichtes Geflecht aus Wendepunkten, Premieren und politischen Paukenschlägen. Der 29. März ist so ein Tag. Ein Streifzug durch die Geschichte zeigt, wie viel an nur einem Datum passieren kann – in Frankreich, Deutschland und der Welt.
Beginnen wir im Jahr 1638, als eine kleine Gruppe schwedischer Siedler mit großen Ambitionen in Nordamerika landete. Am Ufer des Delaware gründeten sie „Neuschweden“. Ein eher kurzer Auftritt in der Kolonialgeschichte – 17 Jahre später schnappte sich die Niederländische Westindien-Kompanie das Gebiet. Doch der Versuch, abseits von den großen Kolonialmächten Fuß zu fassen, zeugt vom Selbstbewusstsein der schwedischen Krone in jener Zeit. Und wenn man so will: ein früher Beleg für die europäische Konkurrenzmentalität in Übersee.
Springen wir in die Weimarer Republik: Am 29. März 1925 fand in Deutschland die erste direkte Wahl des Reichspräsidenten statt – ein demokratisches Novum. Der Kandidat der konservativen DVP, Karl Jarres, holte im ersten Wahlgang die meisten Stimmen, doch nicht genug. Im zweiten Wahlgang trat er nicht mehr an und machte Platz für einen Mann, dessen Name sich tief in die deutsche Geschichte eingraben sollte: Paul von Hindenburg. Sein späteres Zusammenspiel mit Hitler – das wissen wir heute – ebnete dem Nationalsozialismus den Weg zur Macht. Tragisch, wie viele demokratische Prozesse in der Weimarer Republik letztlich von antidemokratischen Kräften ausgenutzt wurden.
Und genau diese dunklen Kräfte zeigten am 29. März 1933 erneut ihr Gesicht: Die UFA, damals das größte deutsche Filmstudio, entließ an diesem Tag sämtliche jüdischen Mitarbeiter. Ein willfähriger Schritt im Gleichschritt mit der neuen NS-Ideologie. Die Filmbranche, einst ein Hort jüdischer Kreativität, verlor über Nacht ihre Vielfalt und ihre Seele. Was bleibt? Ein mahnendes Beispiel für die rasante Geschwindigkeit, mit der ein System ins Rutschen geraten kann.
Apropos Geschwindigkeit – lassen wir den Blick kurz in Richtung Wissenschaft und Alltag wandern: Am selben Tag im Jahr 1947 meldete Percy Spencer, ein US-amerikanischer Ingenieur, ein Patent für die Zubereitung von Popcorn mittels Mikrowellenstrahlung an. Kaum zu glauben, aber wahr: Der Mikrowellenherd entstand aus einem Zufall im Labor, als Spencer bemerkte, dass ein Schokoriegel in seiner Tasche schmolz – ausgelöst durch Radarwellen. Der Rest ist Snack-Geschichte.
Wenige Jahrzehnte später, 1972, betrat in Schweden eine Musikgruppe zum ersten Mal gemeinsam ein Tonstudio: ABBA. Ihr Song „People Need Love“ war noch ein zartes Pflänzchen, aber er wurde der erste Schritt auf einem Weg, der sie zu globalen Pop-Ikonen machte. Ob auf Hochzeiten, Geburtstagen oder im Radio – ihre Melodien verfolgen uns bis heute.
Zurück nach Deutschland. Am 29. März 1983 zogen zum ersten Mal Abgeordnete der Partei „Die Grünen“ in den Bundestag ein. Unter ihnen bekannte Namen wie Petra Kelly, Joschka Fischer und Otto Schily. In Jeans und Pullover betraten sie den Plenarsaal und brachten ein Stück Gegenkultur in den politischen Alltag. Wer hätte damals gedacht, dass aus dieser Bewegung einmal Minister hervorgehen würden?
Noch ein Schritt nach vorn, ins Jahr 1990: Die Währungsunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik war in greifbarer Nähe. An jenem Tag empfahl die Bundesbank einen Umtauschkurs von 2:1 – also zwei Ostmark für eine D-Mark. Eine Entscheidung mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen. Viele Ostdeutsche fühlten sich wirtschaftlich überrannt, andere sahen endlich Perspektive. Ein komplexes Kapitel der Wiedervereinigung, das bis heute nachwirkt.
Und dann, im Jahr 2017, hallte ein Paukenschlag durch Europa: Großbritannien reichte offiziell das Austrittsgesuch aus der Europäischen Union ein – der Beginn des Brexit-Prozesses. Damit wurde aus einem politischen Versprechen Ernst, und der Kontinent trat in eine Phase der Unsicherheit. Viele junge Briten protestierten, viele europäische Politiker schüttelten den Kopf – doch die Weichen waren gestellt. Heute, Jahre später, sind die Nachwirkungen immer noch spürbar: wirtschaftlich, gesellschaftlich und emotional.
Blicken wir nach Frankreich: Der 29. März 2004 brachte eine politische Zäsur. Bei den Regionalwahlen erlitt die konservative Regierungspartei UMP von Präsident Jacques Chirac eine schwere Niederlage. Die Sozialisten übernahmen in vielen Regionen die Kontrolle. Es war eine erste Abrechnung der Wählerschaft mit den wirtschaftlichen Reformplänen der Regierung – und ein Vorbote kommender politischer Turbulenzen in Frankreichs Innenpolitik.
Aber nicht nur Politik und Erfindungen prägten diesen Tag.
Auch in der Kulturgeschichte hinterließ der 29. März Spuren. So wurde 1955 der irische Schauspieler Brendan Gleeson geboren – vielen bekannt aus Filmen wie „Brügge sehen… und sterben?“ oder „Harry Potter“. Oder der norwegische Autor Jo Nesbø, geboren 1960, dessen düstere Krimis millionenfach verkauft wurden. Solche Namen stehen für eine Kultur, die über Grenzen hinweg begeistert – und die am 29. März ihren Anfang nahm.
Der Todestag des französischen Schauspielers Bernard Blier im Jahr 1989 markiert hingegen das Ende einer Schauspiel-Ära. Seine unverwechselbare Mimik, sein humorvoll-bissiger Tonfall – all das machte ihn zu einem Liebling des französischen Kinos.
Und damit stellt sich unweigerlich die Frage: Was verrät uns dieser Tag über uns selbst?
Vielleicht, dass Geschichte selten stillsteht. Dass Wandel, Brüche, Chancen und Krisen sich nicht nach Kalenderwochen richten. Sondern oft überraschend – manchmal sogar an einem Montagmorgen – plötzlich da sind.
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!