Bergwälder – sie sind die grüne Lunge unserer Berge, Zufluchtsort für seltene Arten und unverzichtbare Wasserspeicher. Doch die neuesten Erkenntnisse einer Studie der International Union for Conservation of Nature (IUCN) werfen einen düsteren Schatten auf diese Schatzkammern der Natur. Von 19 untersuchten Bergwald-Ökosystemen in Frankreich, einschließlich Korsika, sind über die Hälfte akut bedroht.
Ein alarmierendes Bild: Bedrohte Vielfalt in der Höhe
Die Liste ist lang und beunruhigend: Zehn von 19 Waldtypen in den französischen Gebirgsregionen gelten als bedroht. Darunter befinden sich zwei in der Kategorie „gefährdet“ und acht weitere, die als „verletzlich“ eingestuft wurden. Sechs weitere Waldtypen stehen knapp davor, ebenfalls in die Risikokategorie zu rutschen. Diese Wälder befinden sich vorwiegend in Höhenlagen zwischen 600 und 2.400 Metern – dort, wo die Natur besonders empfindlich auf Veränderungen reagiert.
Doch es kommt noch dicker: Die Bedrohung geht nicht von einzelnen Schadensereignissen wie Stürmen oder Bränden aus – sondern vom Klimawandel selbst. Die Erwärmung in den Bergregionen schreitet schneller voran als im Flachland. In den Alpen und Pyrenäen beispielsweise stiegen die Temperaturen im 20. Jahrhundert um 2 °C, während es im Rest Frankreichs „nur“ 1,4 °C waren. Diese scheinbar kleinen Unterschiede wirken sich massiv aus.
Was steht auf dem Spiel?
Die betroffenen Wälder sind nicht irgendein Stück Natur – sie sind Heimat zahlreicher Tier- und Pflanzenarten, die nirgendwo sonst vorkommen. Denken wir an die Cembraie, die majestätischen Wälder der Zirbelkiefer (Pinus cembra), oder an die Mélézins, die lockeren Lärchenwälder, die das alpine Hochgebirge prägen. Beide sind laut der Studie „gefährdet“. Ebenso betroffen: subalpine Buchen-, Tannen- und Mischwälder, in denen Hainbuche, Weißtanne und Fichte zusammen eine Lebensgemeinschaft bilden.
Und dann gibt es noch die „verletzlichen“ Wälder – Mischwälder mit Buche, Tanne und Fichte, sowie Pinienwälder, die schon jetzt um ihr Überleben kämpfen. Ohne Übertreibung lässt sich sagen: Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als ein Jahrtausende altes Ökosystem. Wenn diese Wälder verschwinden, nimmt die Welt ein Stück ihrer biologischen und klimatischen Balance mit ihnen.
Klimawandel als Hauptschuldiger: Warum Bergwälder besonders leiden
Was macht die Bergwälder so anfällig? Einer der Hauptgründe ist die Temperaturerhöhung – sie trifft diese empfindlichen Ökosysteme mit voller Wucht. Höhere Temperaturen führen zu einem schnelleren Abschmelzen der Schneedecke und einem früheren Einsetzen der Vegetationsperiode. Klingt harmlos, oder? Tatsächlich verändert das den gesamten Wasserkreislauf in den Bergen. Der Boden wird trockener, Pflanzen leiden unter Wassermangel, und das Risiko von Waldbränden steigt.
Zusätzlich kämpfen die Wälder mit einem „hydrologischen Defizit“ – schlicht gesagt: Es fehlt Wasser. Dies gilt insbesondere für die subalpinen und alpinen Regionen, wo die Sommer immer heißer und trockener werden. Das Paradoxe dabei ist, dass es in manchen Regionen zwar häufiger regnet, die Niederschläge jedoch oft so stark sind, dass sie kaum in den Boden eindringen können. Die Folge: Erosion, Bodenauswaschung und – Sie ahnen es – ein geschwächtes Ökosystem.
Mensch und Bergwald: Eine komplexe Beziehung
Nun könnte man sagen: „Das ist doch weit weg von meinem Alltag, warum sollte mich das kümmern?“ Doch hier liegt der Haken: Bergwälder spielen eine entscheidende Rolle für unser Leben, selbst wenn wir nicht in den Bergen wohnen. Sie speichern Kohlenstoff, regulieren den Wasserkreislauf und schützen Täler vor Lawinen und Überschwemmungen. Sie sind auch ein Rückzugsort für bedrohte Tierarten, wie den Alpensteinbock oder das Auerhuhn.
Darüber hinaus bieten diese Wälder wirtschaftliche Ressourcen – von Holz bis hin zu Pilzen – und sind ein touristischer Magnet. Die Bedeutung dieser Wälder endet nicht an den Berggipfeln; sie reicht bis in die Städte und Dörfer hinab.
Doch die menschliche Nutzung ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind Bergwälder jahrhundertelang durch die extensive Forstwirtschaft gepflegt worden. Andererseits hat die Intensivierung der Nutzung – sei es durch Forstmaschinen, den Bau von Skipisten oder die Erschließung neuer Wanderwege – die Widerstandskraft dieser Wälder geschwächt. Ein geschwächter Wald hat weniger Reserven, um mit der zusätzlichen Belastung des Klimawandels umzugehen.
Gibt es Hoffnung?
Nun, an dieser Stelle könnten wir resignieren – aber das wäre der falsche Weg. Es gibt Hoffnung, und sie liegt in unseren Händen. Ein wichtiger Ansatz ist die Wiederbewaldung mit klimaresistenteren Baumarten. Doch das ist leichter gesagt als getan. Eine Zirbelkiefer, die über Jahrhunderte perfekt an alpine Bedingungen angepasst war, kann nicht einfach von heute auf morgen durch eine andere Baumart ersetzt werden.
Ein zweiter Ansatz liegt in der Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Klar, das klingt wie ein alter Hut, aber es bleibt die einzige langfristige Lösung. Jede Tonne CO₂, die wir weniger in die Atmosphäre blasen, entlastet diese sensiblen Ökosysteme.
Daneben gibt es regionale Schutzprojekte, die genau auf die Bedürfnisse der Bergwälder abgestimmt sind. Beispielsweise haben einige Gemeinden in den französischen Alpen begonnen, Wasserreservoire anzulegen, um Trockenperioden zu überbrücken. Ebenso wichtig ist die Förderung der naturnahen Forstwirtschaft, die nicht auf kurzfristigen Profit, sondern auf die langfristige Stabilität der Wälder setzt.
Was können wir als Einzelne tun?
„Ich bin kein Förster, was kann ich schon tun?“ – Das fragen sich viele. Aber jeder von uns hat Einfluss. Entscheiden Sie sich für regionale und nachhaltige Holzprodukte, wenn Sie Ihr nächstes Möbelstück kaufen. Oder reisen Sie bewusster, indem Sie auf Flugreisen verzichten und stattdessen mit dem Zug in die Berge fahren. Das mag wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirken, aber viele Tropfen füllen irgendwann ein ganzes Glas.
Wir können auch unseren Einfluss als Konsumenten nutzen, um Politik und Wirtschaft zum Handeln zu bewegen. Unterstützen Sie Organisationen, die sich für den Schutz der Bergwälder einsetzen. Und seien wir ehrlich: Eine Petition zu unterzeichnen oder bei einer Klimademo mitzumachen, kostet uns nicht viel Zeit – und kann doch eine große Wirkung haben.
Fazit? Kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen
Die Bedrohung der Bergwälder durch den Klimawandel ist real und ernst. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Mit einer Kombination aus wissenschaftlichem Know-how, politischem Willen und persönlichem Engagement können wir diesen Ökosystemen eine Zukunft geben. Denn eines ist sicher: Ein Leben ohne Bergwälder wäre nicht nur ärmer – es wäre auch riskanter für uns alle.
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