Forscher vermuten, dass Mozarts Schwester Nannerl nach seinem Tod zahlreiche unentdeckte Werke des Komponisten aufbewahrt hat. Nun scheint eine dieser verlorenen Schätze ans Licht gekommen zu sein.
Am Donnerstag, dem 19. September 2024, gaben Wissenschaftler bekannt, dass eine bislang unbekannte, wahrscheinlich von Wolfgang Amadeus Mozart in seiner Jugend komponierte Musik in Leipzig entdeckt wurde. Die kurze Komposition besteht aus sieben Sätzen für ein Streichtrio und dauert etwa zwölf Minuten. Sie stammt vermutlich aus der Mitte oder dem Ende der 1760er Jahre, was bedeutet, dass Mozart zwischen neun und fünfzehn Jahren alt gewesen sein muss, als er das Werk schrieb. Die sensationelle Entdeckung fand in den städtischen Archiven Leipzigs statt.
Ein verlorener Schatz aus Mozarts Jugend
Mozart, 1756 geboren, galt bereits als Kind als Wunderkind. Schon in jungen Jahren begann er unter der aufmerksamen Anleitung seines Vaters, Leopold Mozart, zu komponieren. Bei der Arbeit an einer neuen Ausgabe des berühmten Köchel-Verzeichnisses, das sämtliche Werke Mozarts auflistet, stießen die Forscher auf diese unbekannte Komposition in den Leipziger Musikarchiven. Der Fund scheint eine Kopie oder Transkription zu sein, die um das Jahr 1780 angefertigt wurde – es handelt sich also nicht um Mozarts Originalhandschrift.
„Der Text des Manuskripts ist in dunkler brauner Tinte verfasst, das Papier ist weiß und stammt aus der damaligen Papierproduktion“, heißt es im Bericht der Leipziger Bibliotheken. „Das Werk trägt keine Signatur des Komponisten.“ Doch obwohl es nicht Mozarts eigene Handschrift ist, lässt der Stil der Musik keinen Zweifel an ihrer Urheberschaft.
Die „Ganz kleine Nachtmusik“ – Eine neue Entdeckung
In der aktuellen Ausgabe des Köchel-Verzeichnisses wurde die neuentdeckte Komposition mit dem Titel Ganz kleine Nachtmusik vermerkt – eine Anspielung auf Mozarts wohl berühmteste Serenade, die Kleine Nachtmusik. Diese bezaubernde Kammermusik wurde am 19. September 2024 zum ersten Mal in Salzburg, Mozarts Geburtsstadt, von einem Streichtrio öffentlich aufgeführt. Die deutsche Premiere soll am kommenden Samstag in der Leipziger Oper stattfinden.
Ein bemerkenswertes Detail aus dem neuen Köchel-Verzeichnis ist die Erkenntnis, dass dieses Werk vor Mozarts erstem Italienaufenthalt entstanden sein muss. Das wirft ein neues Licht auf den jungen Mozart und seinen musikalischen Werdegang, wie der wissenschaftliche Direktor der Stiftung Mozarteum in Salzburg, Ulrich Leisinger, betont.
Neue Erkenntnisse über den jungen Mozart
„Bisher kannten wir den jungen Mozart vor allem als Komponisten von Klaviermusik, Arien und Sinfonien“, erläuterte Leisinger in einer Pressemitteilung. „Doch eine Liste von Leopold Mozart deutete darauf hin, dass er bereits in jungen Jahren zahlreiche Kammermusikwerke schrieb, die jedoch fast alle verloren gingen.“ Diese Werke seien bisher in keiner Form erhalten geblieben – bis jetzt.
Dass nun ein vollständiges Streichtrio in Leipzig gefunden wurde, sei ein glücklicher Zufall. Besonders interessant ist die Vermutung, dass die Kopie von Mozarts Schwester, Maria Anna Walburga Ignatia Mozart, besser bekannt als Nannerl, angefertigt worden sein könnte. „Es ist verlockend zu glauben, dass Nannerl diese Komposition aus sentimentalen Gründen aufbewahrte – als Erinnerung an ihren berühmten Bruder“, fügt Leisinger hinzu. Ihre Rolle in Mozarts Leben war nicht nur die einer Schwester, sondern auch die einer talentierten Musikerin, die in ihrer Kindheit oft zusammen mit Wolfgang auftrat. Diese familiäre Verbundenheit könnte erklären, warum gerade dieses Werk erhalten blieb.
Verlorene Werke und Mozarts Vermächtnis
Die Frage nach den verlorenen Kompositionen Mozarts beschäftigt Musikwissenschaftler seit langem. Es ist bekannt, dass viele seiner Werke, besonders aus der Zeit seiner Jugend, nicht überliefert sind. Der Fund in Leipzig bietet einen seltenen Blick auf diesen wenig dokumentierten Abschnitt seines Schaffens. Das neue Streichtrio zeigt einmal mehr Mozarts frühreife Genialität und seine Vielseitigkeit als Komponist.
Es bleibt jedoch unklar, wie viele Werke von Mozart tatsächlich verloren gegangen sind. Durch die intensiven Reisen der Familie und die wechselnden Aufbewahrungsorte der Manuskripte könnten viele seiner frühen Kompositionen in privaten Sammlungen oder Archiven vergraben liegen – vielleicht warten sie nur darauf, entdeckt zu werden. Der Fund in Leipzig gibt Anlass zur Hoffnung, dass in den kommenden Jahren weitere dieser „verlorenen“ Werke auftauchen könnten.
Eine Zeitkapsel aus Mozarts Jugend
Der Gedanke, dass eine vergessene Komposition so lange unentdeckt bleiben konnte, wirkt fast wie ein kleines Wunder – besonders in der heutigen Zeit, in der jedes Detail von Mozarts Leben scheinbar schon längst erforscht ist. Doch genau solche Entdeckungen wie diese in Leipzig zeigen, dass die Musikgeschichte noch viele Geheimnisse birgt.
Mit der Aufführung der Ganz kleinen Nachtmusik dürfen sich Musikliebhaber auf eine neue, frische Perspektive auf den jungen Mozart freuen. Dieses Werk öffnet eine Tür zu einem weniger bekannten Kapitel seiner Entwicklung als Komponist und bringt uns einen kleinen Schritt näher an das Verständnis der Person hinter der Musik.
Wie viele weitere solche Überraschungen mag die Geschichte wohl noch für uns bereithalten?
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