Tag & Nacht

Die Streikbewegung in den Raffinerien ließ gestern weiter nach – es wurden nur noch zwei Standorte bestreikt. In einigen Departements war die Versorgung mit Kraftstoffen jedoch kurz vor Beginn der Schulferien immer noch schwierig.

Langsam scheint sich die Treibstoffkrise in Frankreich ihrem Ende zu nähern. Nach dreiwöchigen Streikblockaden beschlossen die Beschäftigten am Standort „Flandres“ in Mardyck bei Dünkirchen und in La Mède im Departement Bouches-du-Rhône am Mittwochabend, ihren Streik „auszusetzen“ und die Arbeit wieder aufzunehmen. In der Raffinerie Donges (Loire-Atlantique) war bereits früher am Tag über das Ende des Streiks abgestimmt worden. Der Streik in den Raffinerien setzte sich gestern nur noch an zwei Standorten von TotalEnergies fort: das Lager Feyzin (Rhône) und die Raffinerie Gonfreville (Seine-Maritime). „Dort wird der Streik bis zum 27. Oktober verlängert“, dem Tag, an dem TotalEnergies seine Geschäftsergebnisse für das dritte Quartal bekannt geben soll, „es sei denn, die Geschäftsleitung kontaktiert uns vorher“, erklärt die Gewerkschaft CGT.

„Die Situation verbessert sich weiterhin deutlich“, gab sich Premierministerin Elisabeth Borne am Mittwoch betont beruhigend, eine Verbesserung, die jedoch von den Autofahrern, die manchmal stundenlang vor den nur tröpfchenweise versorgten Tankstellen ausharren mussten, kaum wahrgenommen wurde. „Ich weiß, dass die Situation für viele unserer Landsleute immer noch schwierig ist, aber die Dynamik ist da und ich möchte die streikenden Angestellten noch einmal dazu aufrufen, die Arbeit wieder aufzunehmen“, fügte die Regierungschefin hinzu, die am Mittwoch erneut Angestellte für die Arbeit in Feyzin requiriert hatte.

Von einem Departement zum anderen, ist die Situation sehr unterschiedlich. Gestern hatte eine von sechs Tankstellen (16,9%) Schwierigkeiten bei der Versorgung mit mindestens einem Kraftstoff (gegenüber 20,3% am Mittwoch), wobei die Lage in der Bourgogne-Franche-Comté (29%), der Île-de-France (25,5%) oder Okzitanien (20,5%) weiterhin ziemlich angespannt war, wie die gestrigen Zahlen des Ministeriums für den Energiewandel zeigten. Denn auch wenn Raffinerien und Depots nun wieder arbeiten, dauert es eine gewisse Zeit, bis der Treibstoff an die einzelnen Tankstellen gelangt. Sobald die Beschäftigten in den Raffinerien wieder zu arbeiten beginnen, besteht die Schwierigkeit darin, zunächst die 200 Depots in Frankreich zu beliefern. Normalerweise beliefert ein Lkw 3 bis 4 Tankstellen pro Tag, aber zur Zeit ist es eher eine Tankstelle pro Tag, weil jeweils viel mehr Treibstoff geliefert werden muss.

Die Lieferschwierigkeiten werden noch dadurch verstärkt, dass mehrere Regionen verstärkt per Bahn beliefert werden und die Züge nur an bestimmten Tagen fahren… Es wird also mit 15 bis 20 Tage zu rechnen sein, bis eine echte Rückkehr zur Normalität eintritt, d. h. eine Situation, in der alle Tankstellen mit ihren üblichen Beständen versorgt sind.

Auf dem Tankstellennetz der Autobahnen ist die Lage hingegen besser. Nach Angaben des Atobahnbetreibers Vinci Autoroutes waren mindestens 90% der Tankstellen in seinem Netz in der Lage, ausreichend Kraftstoff zu liefern. „Die Kontinuität der Dienstleistungen auf den 181 Raststätten ist bei bleifreiem Benzin durchschnittlich zu 90% und bei Dieselkraftstoff durchschnittlich zu 92% gewährleistet“, so Vinci Autoroutes.

Die Franzosen – und die Regierung – sind zwar erleichtert, dass die Krise vorbei zu sein scheint. Aber Vorsicht: Die Beziehungen zwischen der CGT, die den Streik initiiert hat, und der Geschäftsleitung von TotalEnergies sind nach wie vor eisig und gespannt. Die Gewerkschaft meldete, sie habe der Konzernleitung am Mittwoch erfolglos ein „Protokoll zur Beendigung des Konflikts“ vorgeschlagen, das insbesondere „lokale Verhandlungen über die von den Streikenden angesprochenen spezifischen Probleme“ vorsieht.

TotalEnergies machte klar, dass die Geschäftsleitung keinen Grund für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen sehe, da bereits am Freitag vergangener Woche eine Vereinbarung mit den beiden Mehrheitsgewerkschaften CFE-CGC und CFDT geschlossen worden sei. Die Vereinbarung, die von der CGT nicht unterzeichnet wurde, sieht eine allgemeine Lohnerhöhung von 5%, weitere individuelle Lohnerhöhungen und einen Sonderbonus zwischen 3.000 und 6.000 Euro vor. Die CGT dagegen hatte eine Lohnerhöhung von 10% gefordert.

Politische Auswirkungen des Konflikts
Der erste soziale Konflikt, mit dem Elisabeth Borne zu tun hatte, wird vor allem für die Regierung Spuren hinterlassen. Laut Elabe sind 74% der Franzosen der Ansicht, dass Emmanuel Macron und die Regierung der Situation nicht gewachsen waren, und 43% sind der Meinung, dass die Leitung der Ölkonzerne – bei denen die Arbeitnehmer angesichts der Inflation eine Beteiligung an den sehr hohen Gewinnen forderten – für den Arbeitskonflikt verantwortlich ist. Die Besteuerung von Supergewinnen und der Superdividenden, die von der Regierung im Entwurf des Haushaltsgesetzes 2023 ausgeschlossen wurde, wird von den Franzosen befürwortet: 62% sind dafür.

Die Treibstoffkrise scheint eine Warnung an die Exekutive zu sein, denn 8 von 10 Franzosen glauben laut einer gestern veröffentlichten Odoxa-Umfrage, dass es weitere Streiktage geben wird, und fast jeder zweite Franzose (47 %) unterstützt die aktuellen sozialen Bewegungen in ihrer Gesamtheit oder bringt Sympathie dafür zum Ausdruck.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!