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Die Herabstufung der Bonität der französischen Staatsanleihen durch die Ratingagentur Fitch von AA- auf A+ markiert einen Wendepunkt für die finanzpolitische Glaubwürdigkeit des Landes. Sie ist nicht nur ein technischer Vorgang in den Finanzmärkten, sondern Ausdruck wachsender Zweifel an der Fähigkeit Frankreichs, seine öffentlichen Finanzen in den Griff zu bekommen. Mit über 113 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht die Staatsverschuldung eine historisch hohe Dimension, während das Haushaltsdefizit 2024 mit 5,8 Prozent des BIP das höchste in der Eurozone blieb.


Warnsignal für die Haushaltspolitik

Fitch verweist in seiner Begründung auf die strukturell hohe Verschuldung und den fehlenden Konsolidierungspfad. Zwar hatte die französische Regierung angekündigt, das Defizit bis 2027 auf unter drei Prozent zu senken, doch bislang blieb der Fortschritt bescheiden. Erschwerend kommt die politische Instabilität hinzu: Der erzwungene Rücktritt von Premierminister François Bayrou am 9. September 2025 hat die Handlungsfähigkeit der Exekutive geschwächt. Für die Märkte ist das ein Hinweis darauf, dass auch künftige Reformpläne unter dem Druck wechselnder Mehrheiten ins Stocken geraten könnten.


Finanzielle Konsequenzen für den Staat

Eine niedrigere Bonitätsbewertung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzierungskosten des Staates. Investoren verlangen höhere Risikoaufschläge, um französische Anleihen zu zeichnen. Schon jetzt ist der Zinsabstand („Spread“) zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen auf den höchsten Stand seit Jahren geklettert. Jeder zusätzliche Basispunkt schlägt sich angesichts der rund 3.200 Milliarden Euro Staatsschuld in Milliardenkosten nieder – Geld, das für Investitionen in Infrastruktur, Verteidigung oder Klimapolitik fehlt.


Auswirkungen auf Wirtschaft und Haushalte

Die Verschlechterung des Kreditratings bleibt nicht auf die Staatsfinanzen beschränkt. Banken und Unternehmen orientieren sich an den Refinanzierungsbedingungen des Staates. Steigende Zinsen wirken sich daher mittelbar auf Immobilienkredite und Unternehmenskredite aus. Während Anleger kurzfristig sinkende Renditen bei klassischen Lebensversicherungen und Fonds in Euro beklagen könnten, profitieren mittelfristig neue Emissionen von Staats- und Unternehmensanleihen von höheren Zinssätzen. Für private Haushalte bedeutet dies jedoch eine spürbare Verteuerung von Krediten – eine Entwicklung, die den ohnehin schwächelnden Konsum zusätzlich belasten dürfte.


Politische Dimension der Herabstufung

Die Abstufung erfolgt in einem Moment, in dem die französische Politik von Unsicherheit geprägt ist. Nach dem Sturz Bayrous scheinen Koalitionen fragil und Reformvorhaben schwer durchsetzbar. Auch die jüngsten Debatten im Parlament über Steuererhöhungen und Kürzungen im Sozialbereich zeigen die begrenzte Reformfähigkeit des Staates. Fitch verweist explizit auf diese institutionellen Schwächen: Politische Instabilität schmälert die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung.

Die innenpolitische Kritik fiel entsprechend scharf aus. Die Opposition sprach von „Jahrzehnten der Verfehlungen“, während François Bayrou von einem „kollektiven Versäumnis“ sprach, die Öffentlichkeit auf den Ernst der Lage vorzubereiten.


Vergleich in der Eurozone

Besonders schmerzhaft ist der Blick auf die europäischen Partner. Mit 5,8 Prozent Defizit lag Frankreich 2024 an der Spitze der Defizitsünder – noch vor Italien (3,4 Prozent) und weit über dem deutschen Wert von 2,8 Prozent. Länder, die früher als Problemfälle galten, wie Portugal, Irland oder Griechenland, verzeichneten im gleichen Zeitraum Haushaltsüberschüsse.

Dieser Vergleich unterstreicht die französische Sonderrolle: Während andere Eurostaaten ihre Finanzen konsolidierten, setzte Frankreich auf schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme, die zwar kurzfristig Wachstum stützen, langfristig jedoch die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen belasten.


Herausforderungen und Ausblick

Die französische Regierung steht nun vor einem doppelten Kraftakt. Einerseits muss sie die Märkte von ihrer Handlungsfähigkeit überzeugen, indem sie einen glaubwürdigen Konsolidierungspfad vorlegt. Andererseits braucht es innenpolitisch stabile Mehrheiten, um Reformen – etwa im Renten- oder Sozialbereich – durchzusetzen.

Ein Scheitern birgt nicht nur ökonomische, sondern auch politische Risiken: Frankreich könnte weiter an Gewicht innerhalb der Eurozone verlieren. Eine erneute Abstufung durch andere Agenturen wie Moody’s oder S&P Global ist nicht ausgeschlossen. Für Präsident Emmanuel Macron steht daher mehr auf dem Spiel als eine abstrakte Bonitätskennzahl: Es geht um die finanzpolitische Souveränität des Landes.


Frankreichs Herabstufung ist ein Signal an Politik und Gesellschaft, dass das Land nicht länger über seine Verhältnisse leben kann. Noch ist die Lage beherrschbar und die Investoren halten an Frankreich zur Zeit noch fest. Doch ohne glaubwürdige Reformen könnte sich die Spirale aus wachsender Verschuldung, steigenden Zinsen und sinkender politischer Handlungsfähigkeit beschleunigen.

Autor: Andreas M. Brucker

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