Tag & Nacht




Manche Tage sind wie Knotenpunkte der Weltgeschichte – der 22. März gehört definitiv dazu. Zwischen Revolution und Reform, zwischen Aufbruch und Tragödie zeigt dieser Tag, wie sich große gesellschaftliche Umwälzungen oft in kleinen Momenten bündeln. Besonders Frankreich war an diesem Datum mehr als einmal Schauplatz historischer Entwicklungen, doch auch anderswo schlug das politische Herz lauter als sonst.

Weltweite Ereignisse mit Nachhall

1765: Das britische Parlament verabschiedet den Stamp Act

Am 22. März 1765 verabschiedete das britische Unterhaus den sogenannten Stamp Act, eine Steuer auf nahezu alle gedruckten Materialien in den nordamerikanischen Kolonien – von Zeitungen bis hin zu juristischen Dokumenten. Ziel war es, die Schulden des Siebenjährigen Krieges zu decken, doch die Kolonisten rochen Willkür.

Die Folge? Proteste, Boykotte und schließlich ein Slogan, der Geschichte schrieb: No taxation without representation! Der Stamp Act war nicht der Auslöser, aber ein Brandbeschleuniger auf dem Weg zur Amerikanischen Revolution.

1895: Brüder Lumière beantragen Patent für ihren Kinematographen

Wer liebt sie nicht – Filme? Und am 22. März 1895 reichten Auguste und Louis Lumière in Frankreich ein Patent für ihren Kinematographen ein, eine Kombination aus Kamera und Projektor.

Noch im selben Jahr zeigten sie in Paris ihre ersten bewegten Bilder: Arbeiter, die ein Werk verlassen. Klingt banal? War es auch – und zugleich eine Revolution! Kino war geboren, und nichts sollte mehr so sein wie zuvor.

Dass dieser technische Durchbruch in Frankreich stattfand, ist übrigens kein Zufall. Die Franzosen waren Vorreiter in Sachen Bild, Bewegung und später auch Erzählkunst.

1933: Ermächtigungsgesetz im Deutschen Reich

Ein dunkler Tag: Am 22. März 1933 verabschiedete der Reichstag das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich – besser bekannt als Ermächtigungsgesetz. Damit konnte Adolf Hitler fortan ohne Parlament regieren. Es war das rechtliche Fundament für die nationalsozialistische Diktatur.

Am selben Tag wurde übrigens auch das erste Konzentrationslager in Dachau eröffnet. Die Doppeldeutigkeit dieses Datums – juristische Machtübernahme und beginnende Repression – lässt bis heute erschauern.

1993: Die UN ruft den Weltwassertag aus

Wasser – klingt banal, ist aber Lebensgrundlage. Am 22. März 1993 wurde der erste Weltwassertag begangen, ins Leben gerufen von den Vereinten Nationen. Ziel war es, auf die globale Wasserkrise aufmerksam zu machen.

Fast ein Drittel der Weltbevölkerung hat heute noch keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser – und die Lage wird durch Klimawandel, Urbanisierung und politische Konflikte nicht besser.

Ein internationaler Gedenktag, der mehr als Symbol ist – er ist ein Weckruf.


Frankreich am 22. März: Zwischen Protest und Popkultur

1968: Die Studentenrevolte beginnt in Nanterre

Ein Funke, der bald ein Flächenbrand werden sollte: Am 22. März 1968 besetzten Studierende der Universität Paris-Nanterre das Verwaltungsgebäude. Sie protestierten gegen autoritäre Hochschulstrukturen, prüde Gesellschaftsnormen und einen übermächtigen Staat.

Angeführt wurde die Bewegung unter anderem vom charismatischen Daniel Cohn-Bendit – genannt „Dany le Rouge“.

Was als kleine Protestaktion begann, mündete wenige Wochen später in die landesweiten Mai-Unruhen. Millionen Franzosen streikten, demonstrierten, diskutierten. Frankreich stand am Rand eines politischen Umsturzes – und Präsident de Gaulle musste sogar kurzzeitig ins Ausland fliehen.

Womit hatte er nicht gerechnet? Dass ausgerechnet junge Studierende seine Macht erschüttern würden.

1986: Gesetz zur Hochschulreform löst neue Protestwelle aus

Wieder ein 22. März, wieder Unruhe an französischen Universitäten: 1986 verabschiedete die Regierung unter Premierminister Jacques Chirac das Projet Devaquet, ein Hochschulgesetz, das mehr Auswahlverfahren und Wettbewerbsdruck bringen sollte.

Die Antwort kam prompt: Zehntausende Studierende gingen auf die Straße. Der Widerstand kulminierte im tragischen Tod des Studenten Malik Oussekine, der am 6. Dezember 1986 von Polizeikräften zu Tode geprügelt wurde.

Das Gesetz wurde zurückgezogen – doch das Trauma blieb.

2016: Attentate in Brüssel erschüttern auch Frankreich

Am 22. März 2016 verübten islamistische Terroristen Anschläge am Flughafen Zaventem und in der Brüsseler U-Bahn. 32 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Die Täter standen in direkter Verbindung zur Pariser Terrorzelle, die im November 2015 130 Menschen tötete.

Frankreich war nicht direktes Ziel – aber emotional betroffen. Die Attentate zeigten erneut, wie verwundbar offene Gesellschaften sind und wie eng europäische Sicherheitsfragen zusammenhängen.


Ein Tag, viele Gesichter

Der 22. März ist einer dieser Tage, an denen Geschichte nicht stillsteht, sondern ins Rollen gerät – mal leise, mal laut, mal im Aufbruch, mal im Absturz.

Ob der Widerstand gegen koloniale Steuerpolitik in Amerika, die Studentenrevolten in Frankreich oder die Geburtsstunde des Films: Es sind nicht immer große Schlachten oder Friedensverträge, die Welt verändern. Manchmal reicht ein Student, der eine Tür besetzt, oder ein Ingenieur, der eine Linse dreht.

Und wer hätte gedacht, dass an demselben Tag, an dem ein Kino erfunden wurde, auch das erste KZ eröffnet wurde?

Die Geschichte kennt keine Harmonie – aber sie kennt Verbindungslinien. Und der 22. März ist voll davon.

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