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Einsetzende Aufholeffekte – Beobachter der französischen Wirtschaft sind eher pessimistisch, was den Preisanstieg im Jahr 2023 angeht.

Der Preisanstieg im Jahr 2022 war schon historisch hoch. Und für viele Experten ist das noch lange nicht vorbei: Die Inflation dürfte in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 in Frankreich weiter steigen. Sie „dürfte zwischen April und Juni einen Höhepunkt erreichen“, schätzte Michel-Edouard Leclerc in einem Interview mit dem Journal Du Dimanche. Eine besorgniserregende Situation, die sich direkt auf die Kaufkraft der Franzosen auswirkt. Der Chef der E.Leclerc Supermärkte erklärte außerdem, dass der Anstieg der Lebensmittelpreise in den Regalen der französischen Super- und Hypermärkte bis Ende 2022 durchschnittlich 12% betragen habe. Den Zahlen des Nationalen Instituts für Statistik und Wirtschaftsstudien (Insee) zufolge stiegen die Verbraucherpreise im gesamten Jahr 2022 im Jahresdurchschnitt um 5,2%, während sie 2021 nur um 1,6 % stiegen.

Auf Regierungsseite versucht man, optimistischer zu sein. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire rechnete in einem Interview mit dem Sender France Inter am 4. Januar mit einem Rückgang der Inflation „im Laufe des Jahres 2023“ und verkündete sein Ziel einer Inflationsrate von durchschnittlich 4,3% für das gesamte Jahr. Der Gouverneur der Banque de France, François Villeroy de Galhau, hatte seinerseits im November 2022 erklärt, die Inflationsrate innerhalb von zwei bis drei Jahren auf rund 2% senken zu wollen. Diese vor einigen Monaten in mehreren Medien abgegebene „Verpflichtung“ scheint nun immer schwieriger einzuhalten zu sein. Dies gilt umso mehr, als die Einzelhändler jetzt melden, dass eine Verbesserung der Situation nicht kurzfristig zu erwarten sei. „Wir wissen drei bis vier Monate im Voraus, wie sich die Preise über unsere Einkaufszentralen entwickeln werden“, erklärte Michel-Édouard Leclerc, der in Bezug auf die für 2023 zu erwartende Inflationswelle bereits von einem „Tsunami“ gesprochen hatte.

Dominique Schelcher, Chef der Supermarktkette Systeme U, erklärte, dass man im Jahr 2022 haben den Anstieg der Rohstoffkosten und die Auswirkungen der Verknappung weitergegeben habe. Im Jahr 2023 sehen man nun den Anstieg der Gas- und Strompreise auf sich zukommen. Danach werde es eine dritte Teuerungswelle wegen der Kosten des ökologischen Wandels geben. „Wir treten in einen dauerhaften Inflationszyklus ein. Irgendwann wird er sinken, aber niemand kann sagen, wann. Wahrscheinlich nicht im Jahr 2023“.

„Aufholeffekt“ im Jahr 2023
Mehrere Wirtschaftswissenschaftler hatten sich bereits im Juli 2022 pessimistisch geäußert. Sie hatten insbesondere vor einem „Inflationsschock“ im Jahr 2023 gewarnt. Mathieu Plane, stellvertretender Direktor der Abteilung Analyse und Prognose des französischen Observatoriums für Konjunkturforschung (OFCE), hatte damals erklärt, dass die Inflation im Jahr 2022 durch die staatlichen Beihilfen künstlich gedämpft worden sei. Eine Analyse, die von Agnès Bénassi-Quéré, Chefökonomin der Generaldirektion des Schatzamtes, bestätigt wurde durch : „Es gibt kein Wunder, die Kaufkraft steht in Frankreich gut da, aber das ist der staatlichen Unterstützung zu verdanken“.

Frankreich galt in Europa hinsichtlich der Inflationsrate als Musterschüler, es könnte aber 2023 „einen Aufholeffekt“ erleben. „Wir hatten weniger Inflation als unsere Partner, weil wir staatliche Hilfsmaßnahmen hatten. Aber man kann diese Hilfsmaßnahmen nicht ewig aufrechterhalten“, hatte Mathieu Plane gewarnt. „Im Jahr 2023 können wir durch einen Aufholeffekt eine höhere Inflation als unsere Nachbarn erleben“.


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