Sizilien und Sardinien – zwei malerische Inseln im Mittelmeer, bekannt für ihre kulturelle Vielfalt und atemberaubende Landschaften – stehen derzeit am Rande einer Katastrophe. Eine von Menschen verursachte Krise, die mit jedem Jahr intensiver wird: Eine verheerende Dürre, die nicht nur auf klimatische Veränderungen zurückzuführen ist, sondern auch auf jahrzehntelanges Versagen in der Instandhaltung der lebenswichtigen Wasserinfrastruktur. Eine aktuelle Studie der World Weather Attribution (WWA) zeigt deutlich, wie der Klimawandel und die alternde Infrastruktur die Dürresituation verschärfen – mit fatalen Folgen.
Der Einfluss des Klimawandels: Mehr als nur heiße Sommer
Jahrhundertelang war der Mittelmeerraum an heiße, trockene Sommer gewöhnt. Doch das, was Sizilien und Sardinien in den letzten 12 Monaten durchlebt haben, geht weit über das hinaus, was als „normal“ gelten könnte. Die Dürre, die sich in beiden Regionen ausgebreitet hat, ist nicht nur ein seltenes Phänomen – sie wurde laut der WWA-Studie 50 % wahrscheinlicher durch den menschgemachten Klimawandel. Das Hauptproblem ist dabei nicht allein der geringe Niederschlag, sondern die extrem hohen Temperaturen, die die Verdunstung aus Böden und Gewässern drastisch erhöhen.
In den vergangenen Monaten stiegen die Temperaturen regelmäßig über 40 Grad Celsius, und selbst in der Nacht gab es keine nennenswerte Abkühlung. Diese extreme und anhaltende Hitze hat die Böden ausgetrocknet, Flüsse in ausgetrocknete Rinnen verwandelt und die landwirtschaftlichen Felder in brachliegende Wüsten. „Diese Hitzewellen sind der Haupttreiber der aktuellen Dürre“, betont Mariam Zachariah vom Grantham Institute für Klimawandel. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Wasserversorgung sind katastrophal – und das nicht nur kurzfristig.
Landwirtschaft am Abgrund
Sizilien und Sardinien spielen eine Schlüsselrolle in Italiens Landwirtschaft, wobei sie etwa 10 % der nationalen Agrarproduktion liefern. Besonders betroffen sind Oliven, Zitrusfrüchte und Weizen aus Italien – alles ikonische Produkte, die nicht nur Italienern, sondern Menschen weltweit bekannt sind. Doch die Böden sind ausgetrocknet, Ernten fallen reihenweise aus. Einige Bauern mussten ihre Zitrusplantagen bereits aufgeben, da es schlichtweg kein Wasser mehr gibt, um sie zu bewässern.
Für die Bauern bedeutet das nicht nur den Verlust ihrer Lebensgrundlage – es ist ein Schlag ins Gesicht für eine Branche, die ohnehin schon mit den Auswirkungen des globalen Marktes und der steigenden Produktionskosten zu kämpfen hat. Wie lange können sie dieser Belastung noch standhalten? Schon jetzt haben laut Coldiretti, einem großen italienischen Landwirtschaftsverband, über 33.000 Menschen in den südlichen Regionen Italiens ihren Job in der Landwirtschaft verloren.
Das Versagen der Infrastruktur: Ein Problem, das lange ignoriert wurde
Doch die Dürre ist nicht allein durch den Klimawandel zu erklären. Ein oft unterschätzter Faktor ist die marode Wasserinfrastruktur in beiden Regionen. Sizilien, das auf 29 Staudämme angewiesen ist, um seine Bevölkerung mit Trinkwasser und seine Landwirtschaft mit Bewässerung zu versorgen, leidet unter jahrzehntelanger Vernachlässigung. Diese Dämme, die vor mehr als 40 Jahren gebaut wurden, haben heute nur noch eine reduzierte Speicherkapazität – 23 % weniger Wasser wurde zu Beginn des Jahres im Vergleich zum Vorjahr gespeichert.
Aber es sind nicht nur die Staudämme. Auch das Trinkwassersystem in Sizilien und Sardinien ist veraltet. Mehr als 50 % des gespeicherten Wassers gehen durch undichte Rohre verloren. Während der Klimawandel die Dürre verschärft, hat die unzureichende Wasserinfrastruktur die Regionen in eine noch tiefere Krise gestürzt. Die Wasserknappheit ist so akut, dass in vielen Gemeinden das Wasser rationiert wird – was bedeutet, dass die Menschen nur noch stundenweise Zugang zu Trinkwasser haben.
Der lange Weg zur Lösung
Angesichts dieser düsteren Realität stellt sich die Frage: Was kann getan werden, um die Situation zu verbessern? Ein erster Schritt wurde bereits unternommen. Sizilien hat kürzlich 92 Millionen Euro aus einem regionalen Fonds erhalten, der insgesamt 1,6 Milliarden Euro umfasst, um die Wasserinfrastruktur zu modernisieren und die Widerstandsfähigkeit gegen Dürreperioden zu erhöhen. Doch das kann nur ein Anfang sein.
Das Problem der alternden Infrastruktur kann nicht von heute auf morgen gelöst werden – es braucht umfassende Investitionen und, vor allem, politischen Willen. Wie lange müssen die Menschen noch auf echte Lösungen warten? Während die internationale Gemeinschaft über den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen diskutiert, werden auf Sizilien und Sardinien weiterhin Bäume entwurzelt und Felder aufgegeben. Die Regionen brauchen eine zukunftsorientierte Planung, die nicht nur auf Notfalllösungen wie Wassertanker setzt, sondern auch auf langfristige Strategien wie den Ausbau von Wasseraufbereitungssystemen und die effiziente Nutzung der vorhandenen Wasserressourcen.
Ein Blick in die Zukunft: Was, wenn wir nichts tun?
Wenn die globalen Temperaturen weiterhin steigen und die Infrastruktur in ihrem maroden Zustand bleibt, könnte Sizilien und Sardinien eine Zukunft bevorstehen, in der extreme Dürre zur Normalität wird. Laut der WWA-Studie könnten in einem 2-Grad-wärmeren Klima – was schon bis 2050 Realität werden könnte – Dürreereignisse wie das aktuelle deutlich häufiger auftreten.
Die Frage, die uns bleibt, ist einfach, aber dringlich: Wie lange wollen wir noch warten, bis wir handeln? Die Menschen auf Sizilien und Sardinien, deren Lebensgrundlagen bereits jetzt bedroht sind, können es sich nicht leisten, noch länger auf Antworten zu warten.
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