Die Reichen bleiben unangetastet, die Konzerne gut vernetzt – und wieder einmal soll die arbeitende Mitte für die Misere des Staates aufkommen. Was Frankreichs Regierung als „gerechte Konsolidierung“ verkauft, ist in Wahrheit nichts anderes als ein weiterer Verrat an jenen, die das Land am Laufen halten.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: 14 Milliarden Euro will der französische Staat im kommenden Jahr zusätzlich einnehmen. Nicht durch Wirtschaftswachstum, nicht durch Effizienzgewinne, nicht durch das Eindämmen von Verschwendung in der Verwaltung – sondern durch Steuern. Und wer soll sie zahlen? Nicht die Konzerne, die Dividenden sprudeln lassen. Nicht die Milliardäre, die ihr Vermögen clever durch Holdings und Fonds schleusen. Nein, es trifft wieder einmal die, die keine Lobby haben: die Mittelschicht, die kleinen Rentner, die Angestellten, die gerade so über die Runden kommen.
Der Haushalt 2026 ist ein Lehrstück an politischer Feigheit. Man streicht Steuervergünstigungen für Rentner, friert die Bemessungsgrenzen der Einkommensteuer ein, kürzt soziale Abfederungen – und nennt das dann allen Ernstes „gerechte Lastenverteilung“. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Wer heute etwas verdient, aber nicht genug, um sich Steuerberater, Stiftungskonstrukte oder Wohnsitzverlagerungen leisten zu können, wird still und effektiv zur Kasse gebeten.
Die kalte Progression ist dabei die perfideste Form der Umverteilung nach unten. Millionen Franzosen werden in höhere Steuerklassen rutschen, nicht weil sie plötzlich reich wären, sondern weil ihre Löhne inflationsbedingt minimal steigen. Und der Staat? Der reibt sich die Hände, weil er ohne eine einzige parlamentarische Debatte mehr Geld einnimmt – ganz automatisch. Ein stiller Diebstahl im Mantel der „Steuertechnik“.
Natürlich, es gibt auch Maßnahmen, die auf hohe Einkommen zielen – eine verlängerte „contribution différenciée“ etwa, oder neue Steuern auf Holdings. Doch das ist Kosmetik, nichts weiter. Symbolpolitik für Pressekonferenzen. Die Reichen wissen längst, wie man solchen Dingen ausweicht. Und die Regierung? Sie weiß es auch.
Was bleibt, ist das alte Spiel: Die Mittelschicht zahlt. Weil sie muss. Weil sie nicht flüchten kann. Weil sie nicht optimieren kann. Und weil sie – wie immer – in der öffentlichen Debatte keine Stimme hat. Wer über Sozialtransfers redet, meint die Ärmsten. Wer über Steuergerechtigkeit spricht, meint die Reichsten. Und wer wird dazwischen zerrieben? Die Menschen, die früh aufstehen, Steuern zahlen, Kinder erziehen, arbeiten, pflegen, durchhalten.
Der Zynismus liegt in der Rhetorik. Man spricht von „gerechter Verteilung“, „Beitrag aller“, „Konsolidierung mit Maß“. Doch die Wahrheit ist: Die politische Klasse hat keine Vorstellung mehr davon, was es bedeutet, mit einem Nettoverdienst von 1.800 Euro durch den Monat zu kommen, während Miete, Energie, Lebensmittel und nun auch noch höhere Steuern die Luft zum Atmen nehmen. Diese Realitäten spielen in ministeriellen Haushaltsklausuren keine Rolle.
Und dabei wäre es möglich, anders zu handeln. Man könnte tatsächlich Steuerschlupflöcher für Großvermögen konsequent schließen. Man könnte den Verwaltungsapparat verschlanken. Man könnte endlich über eine echte Priorisierung der Staatsausgaben sprechen. Doch all das ist unbequem – und riskant. Also geht man den einfacheren Weg: Man belastet die, die sich nicht wehren können.
Frankreich hat kein Einnahmeproblem. Es hat ein Mutproblem.
Ein Kommentar von P.Tiko
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