Tag & Nacht




Belgrad steht still – und das nicht wegen eines Feiertags. Öffentliche Verkehrsmittel sind lahmgelegt, Straßen überfüllt, während zehntausende Menschen gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vučić protestieren. Es ist der Höhepunkt monatelanger Demonstrationen gegen Korruption und Machtmissbrauch.

Proteste trotz Drohungen

Schon in den frühen Morgenstunden versammelten sich Demonstranten an verschiedenen Orten der Stadt, um gemeinsam in die Innenstadt zu marschieren. Trommelschläge, Trillerpfeifen, Vuvuzelas – die Straßen von Belgrad hallen wider vom Lärm des Protests. Auf Transparenten stehen Parolen wie „Pump It Up“ und „Er ist am Ende“.

Vučić hatte vorab mit Festnahmen gedroht, doch das hielt die Menschen nicht auf. Besonders Studierende und ihre Unterstützer spielen eine Schlüsselrolle in den Protesten – viele von ihnen wurden durch ein tragisches Unglück aufgerüttelt: den Einsturz eines Betonvordachs an einem Bahnhof im Norden Serbiens, bei dem am 1. November 15 Menschen starben.

Anreise zu Fuß und auf Fahrrädern

Die Entschlossenheit der Demonstrierenden zeigt sich auch daran, wie viele von ihnen angereist sind. Schon am Freitagabend erreichten Zehntausende Belgrad – manche nach tagelanger Reise zu Fuß oder mit dem Fahrrad.

Die serbische Regierung reagierte hart: Öffentliche Verkehrsmittel wurden ausgesetzt, angeblich aus Sicherheitsgründen. Doch Kritiker vermuten dahinter den Versuch, weitere Demonstranten vom Protest abzuhalten.

Erste Gewaltvorfälle – aber nicht durch die Demonstranten

Obwohl die Proteste überwiegend friedlich verlaufen, gab es erste Gewaltvorfälle – jedoch nicht aus den Reihen der Demonstranten. In einem Vorort Belgrads wurde ein Mann festgenommen, nachdem er mit seinem Auto in eine Menschengruppe raste und drei Menschen verletzte.

Innenminister Ivica Dačić meldete zudem die Festnahme von 13 Personen in der Nacht sowie sechs Aktivisten, die angeblich einen Staatsstreich geplant haben sollen.

Hunderte Polizisten wurden mobilisiert, um Regierungsgebäude und den Präsidentenpalast zu schützen.

Vučić verteidigt sich – und schiebt die Schuld auf den Westen

In einer Facebook-Nachricht erklärte Vučić, er werde keine „undemokratischen Methoden“ akzeptieren und sein Land vor der „Zerstörung“ bewahren. Gleichzeitig machte er – ohne Beweise vorzulegen – westliche Geheimdienste für die Proteste verantwortlich.

Einige internationale Journalisten wurden an der serbischen Grenze gestoppt, darunter Reporter aus Kroatien und Slowenien. Offiziell hieß es, sie stellten ein „Sicherheitsrisiko“ dar.

US-Botschaft warnt amerikanische Bürger

Die USA beobachten die Lage mit Sorge. Schon am Donnerstag gab die amerikanische Botschaft in Belgrad eine Sicherheitswarnung für US-Bürger heraus. Sie empfahl, das Zentrum Belgrads zu meiden und sich bei Gewalt oder Massenaufläufen in Sicherheit zu bringen.

Wie lange die Proteste andauern – und ob sie Vucics Regierung ins Wanken bringen – bleibt abzuwarten. Doch eines ist klar: Die Menschen in Serbien haben ihre Geduld verloren.

Von C. Hatty

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