Tag & Nacht

Ein 69-jähriger Mann, der der Polizei bereits wegen eines rassistischen Angriffs bekannt war, tötete am Freitagmittag in Paris drei Menschen in der Nähe eines kurdischen Kulturzentrums. Ein Drama, das die kurdische Gemeinschaft in Frankreich in Trauer versetzt und noch viele Fragen aufwirft.

Schock, Unverständnis und Wut. Die kurdische Gemeinschaft in Frankreich trauert am Tag nach den tödlichen Schüssen, die am Freitag, dem 23. Dezember 2022, kurz vor Mittag in der Rue d’Enghien im zehnten Arrondissement von Paris abgefeuert wurden. Ein 69-jähriger Franzose, der erst vor elf Tagen aus dem Gefängnis entlassen worden war und der der Polizei als Gewalttäter bekannt war, tötete mit seiner Waffe drei Menschen. In Polizeigewahrsam erklärte er seine Tat damit, dass er „Rassist“ sei. 

Wer waren die Opfer?
Die drei Opfer waren alle kurdischer Herkunft. Da ist zunächst Emine Kara, die Leiterin der kurdischen Frauenbewegung in Frankreich. Frankreich hatte ihren Asylantrag abgelehnt. Das zweite Opfer hieß Miran Perwer. Der Sänger war aus der Türkei geflohen, wo er wegen seiner politischen Aktivitäten verfolgt wurde. Der Name des dritten Opfers wurde noch nicht veröffentlicht. Bei der Schießerei in der Rue d’Enghien wurden außerdem drei weitere Personen zum Teil schwer verletzt.

Wer ist der Schütze?
William M. ist ein 69-jähriger Franzose, Zugführer im Ruhestand. Er lebt im zweiten Arrondissement von Paris. Sein 90-jähriger Vater beschreibt ihn als „schweigsam und „verrückt“. Er erklärt, dass sein Sohn „nichts sagte“ und „den (Angriff) ganz allein geplant haben muss“. In Polizeigewahrsam erklärte der Täter, er habe so gehandelt, weil er „Rassist“ sei.


William M. war laut Innenminister Gérald Darmanin in den Dateien des territorialen Nachrichtendienstes und der Generaldirektion für Innere Sicherheit (DGSI) unbekannt und auch nicht als „ultrarechte Person“ registriert. Er „wollte Ausländer angreifen“ und habe „offensichtlich allein gehandelt“, fügte Gérald Darmanin hinzu. Der Mann besuchte einen Schießstand und seine zahlreichen Waffen waren wie gesetzlich vorgeschrieben angemeldet. Er wurde im Besitz einer halbautomatischen Pistole vom Typ Colt-45, drei Magazinen, die mit 14 Schuss Munition bestückt waren, und 25 Patronen vom Kaliber 45 festgenommen, berichtet die Zeitung Journal Du Dimanche.

Der Täter soll von einem Auto vor dem Sitz des Kurdischen Demokratischen Rates Frankreichs abgesetzt worden sein, so die Zeitung L’Humanité. Als er dort ankam, sollte eine Versammlung von etwa 60 kurdischen Frauen stattfinden, doch der Zeitplan wurde im letzten Moment um eine Stunde verschoben. Wusste der Verdächtige davon? Wer setzte ihn in der Rue d’Enghien ab? Hatte er einen oder mehrere Komplizen? Mehrere Fragen sind noch unbeantwortet.

Kann man von einem Terroranschlag sprechen?
Die Antiterrorismus-Staatsanwaltschaft war vor Ort, ist aber nicht offiziell mit dem Fall befasst. Die Pariser Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung wegen Mordes, versuchten Mordes, vorsätzlicher Gewalt mit Waffen und Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet. Die kurdische Gemeinschaft spricht von einem „terroristischen“ Akt und schiebt die Schuld auf die Türkei.

Der Justiz bekannt, warum war er auf freiem Fuß?
Der Mann hatte drei Vorstrafen. Er wurde im Juni 2017 wegen „verbotenen Besitzes von Waffen der Kategorien A, B und C“ zu sechs Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Im Juni 2022 wurde er wegen Gewalttaten, die bis ins Jahr 2016 zurückreichten, zu zwölf Monaten Haft verurteilt. Da er Berufung eingelegt hatte, ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Zuletzt hatte er im Dezember 2021 mehrere wilde Migrantenlager im Parc de Bercy in der Nähe der Konzerthalle Accor Arena mit einem Säbel angegriffen. Zwei Sudanesen wurden damals verletzt. William M. verbrachte ein Jahr in Untersuchungshaft. Er wurde am 8. Dezember 2021 inhaftiert und am 12. Dezember 2022 wie gesetzlich vorgeschrieben freigelassen und unter richterliche Aufsicht gestellt.

Anschliessend kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen
Die Emotionen in der kurdische Gemeinschaft, die in diesem Pariser Stadtteil stark vertreten ist, kochten Stunden nach der Tat über. Es kam zu gewalttätigen Zwischenfällen mit Ordnungskräften, wobei eine Person festgenommen wurde, wie eine Polizeiquelle berichtete. Die Polizisten, die mit Steinen, verschiedenen Gegenständen und sogar Weihnachtsbäumen angegriffen wurden, mussten Tränengas einsetzen.

Die kurdische Gemeinschaft kündigte für Samstagmittag eine Demonstration in Paris auf dem Place de la République an. Verantwortliche der kurdischen Gemeinschaft wurden am Vormittag auf Wunsch von Emmanuel Macron und Gérald Darmanin vom Pariser Polizeipräfekten Laurent Nuñez empfangen.


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