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Aufgrund der Inflation könnten die jährlichen Lebensmittelausgaben der Haushalte in Frankreich im Jahr 2022 um 224 Euro pro Person steigen, so eine Studie, die diese Woche veröffentlicht wurde. Während die Regierung über die Einführung eines Lebensmittelschecks und die Opposition über einen „Robin-Hood“-Plan nachdenkt, finden die Franzosen Lösungen, um bei ihren Einkäufen zu sparen.

Der seit einigen Monaten zu beobachtende Preisanstieg, der durch den Krieg in der Ukraine, der Energie- und Nahrungsmittelkrisen ausgelöst hat, besonders angeheizt wurde, scheint kein Ende zu nehmen. In seinem jüngsten Bericht geht der Internationale Währungsfonds (IWF) davon aus, dass die Inflation in den Entwicklungsländern am höchsten sein wird, wo der Preisanstieg in diesem Jahr durchschnittlich 8,7 % betragen könnte, während er in den Industrieländern bei durchschnittlich 5,7% liegen soll. In Frankreich, wo die Inflation geringer ist als zum Beispiel in Deutschland, hat das Statistikinstitut Insee gemessen, dass im April 2022 die Preise für Öl und Industrierohstoffe zurückgegangen sind, die Preise für Nahrungsmittelrohstoffe jedoch dynamisch bleiben. „Obwohl sich die Preisanstiege für Nahrungsmittelrohstoffe zunächst verlangsamten, steigen sie im April wieder an (+5,1 % nach +9,2 % im März). Auch die Preise für Fleisch (+7,0 % nach +8,6 %) und Meeresfrüchte (+9,3 % nach +10,4 %) bleiben sehr dynamisch. Der Preisanstieg für Pflanzenöle verlangsamt sich deutlich (+1,3 % nach +22,0 %), ebenso wie in geringerem Maße die Preise für Getreide (+5,1 % nach +11,5 %) und Zucker (+4,7 % nach +8,1 %)“, meldet das Institut.

Die Franzosen, die den Preisanstieg beim Einkaufen schon deutlich bemerkt haben, müssen sich auf noch schwierigere Tage vorbereiten. Der Kreditversicherer Allianz Trade warnte diese Woche in einer Studie: „Das Schlimmste steht den europäischen Verbrauchern noch bevor“. „Bisher hat sich der Preisanstieg bei landwirtschaftlichen Lebensmitteln noch nicht vollständig in den Verkaufspreisen der Lebensmitteleinzelhändler niedergeschlagen. Während die europäischen Lebensmittelhersteller ihre Preise seit Anfang 2021 um +14% erhöht haben, haben die Lebensmittelhändler ihre Preise bisher nur um +6% angehoben. Somit wurde weniger als die Hälfte der auf der vorgelagerten Ebene festgestellten Preisinflation bei Lebensmitteln an die Preise weitergegeben, zu denen diese Produkte an die Endverbraucher, die Haushalte, verkauft werden“, stellt Allianz Trade fest.

Die Preise der Lebensmitteleinzelhändler könnten in Frankreich um +8,2 % steigen.
„Angesichts der aktuellen Situation mit rückläufigen Verkaufsmengen und einer besonders hohen Inflation steht die Rentabilität der europäischen Lebensmitteleinzelhändler unter Druck. Sie haben keine andere Wahl, als die gestiegenen Kosten auf ihre Verkaufspreise umzulegen und gleichzeitig zu versuchen, ihre Marktanteile in einem hart umkämpften Sektor zu halten. Für den Endverbraucher besteht kein Zweifel daran, dass der durchschnittliche Preis für den Einkaufskorb weiter steigen wird“, erklärt Aurélien Duthoit, Branchenberater bei Allianz Trade.

Die Preise der europäischen Lebensmitteleinzelhändler könnten in diesem Jahr um +9,4 % steigen. „Der deutsche Verbraucher wird mit am stärksten betroffen sein, da dort die Preise im Lebensmitteleinzelhandel im Jahr 2022 um schätzungsweise +10,7 % steigen werden, was zu einem Anstieg der jährlichen Lebensmittelausgaben um schätzungsweise +254 Euro im Jahr führen wird. In Frankreich könnten die Preise für Lebensmitteleinzelhändler um +8,2 % steigen, was zu einem Anstieg der jährlichen Lebensmittelausgaben um +224 Euro pro Person in diesem Jahr führen würde, die dann insgesamt 2.963 Euro erreichen könnten“, erläutert Aurélien Duthoit von Allianz Trade.

Auch wenn die Inflation in Frankreich niedriger ist, als etwa in Deutschland, ist der Impakt auf die Lebenshaltungskosten prozentual höher.

Angesichts dieses Preisanstiegs, der die Kaufkraft der Haushalte stark beeinträchtigt, suchen die Regierungen nach Gegenmaßnahmen, zumal die Inflation weltweit zu einer Hauptsorge in der Bevölkerung geworden ist, wie Umfragen des Global Consumer Survey von Statista zeigen (50% der Befragten in Frankreich, Deutschland und Großbritannien und über 60% in Belgien nannten die Inflation als Grund für ihre Sorge).

In Frankreich wird die Inflation zu einem Wahlkampfthema für die Parlamentswahlen.
Mehrere Staaten beschlossen zu reagieren, indem sie den Energiesektor regulierten und flankierende Maßnahmen ergriffen. Spanien und Portugal haben sich dafür entschieden, ihre Gas- und Strompreise aus den europäischen Mechanismen herauszulösen. In Deutschland wurden 130 Millionen Euro an Zuschüssen für Haushalte mit niedrigem Einkommen bereitgestellt, um die Energierechnung zu senken. Olaf Scholz führte außerdem einen Scheck über 100 Euro zur Erhöhung der Unterhaltszahlungen und eine vieldiskutiertes 9-Euro-Ticket für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein. Das Vereinigte Königreich gab am Donnerstag ein neues Hilfspaket im Wert von 15 Milliarden Pfund angesichts der Auswirkungen der Lebenshaltungskosten auf benachteiligte Haushalte bekannt.

In Frankreich schlägt der Anstieg der Inflation mit voller Wucht auf den Parlamentswahlkampf durch und wird insbesondere zwischen der Präsidentenmehrheit und der Linksunion (Nupes) zum Spielball.

Nach dem Preisstopp für Gas und Strom, der zusätzlichen Förderung von 100 Euro durch den Energiescheck oder dem Rabatt von 18 Cent auf Treibstoff bereitet die Regierung, die seit dem vergangenen Herbst bereits Hilfs-Ausgaben in Höhe von 26 Milliarden Euro getätigt hat, für Ende Juni – falls die derzeitige LRM-Mehrheit wiedergewählt wird – einen Berichtigungshaushalt vor, der unter anderem einen Lebensmittelscheck beinhalten soll.

Der „Robin-Hood“-Plan der Linksunion
Die Linksunion Nupes stellte am Donnerstag ihren Plan für die Unterstützung derKaufkraft vor. „Die zentrale Idee ist, die Inflation eher auf die Profite als auf die Löhne abzuwälzen“, und zwar insbesondere durch „Preisstopps“, erklärte Jean-Luc Mélenchon.

Zu der Erhöhung des Mindestlohns und der Renten, der Aufwertung der Löhne, der Blockierung der Preise für Grundnahrungsmittel und der Begrenzung der Mieten kommen das Verbot von Strom- und Gassperren bei unbezahlter Rechnung und eine Preisobergrenze für den öffentlichen Nahverkehr hinzu. „Das ist eine legale Robin-Hood-Operation“, freut sich Jean-Luc Mélenchon.


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