Tag & Nacht




Die Spannung steigt – zumindest für manche. Am Montag, dem 31. März, lüftet der Guide Michelin das Geheimnis seiner Auszeichnungen für das Jahr 2025. Für viele Spitzenköche ist es der wichtigste Tag des Jahres. Für andere hingegen der Moment, an dem sie sich bewusst von diesem System verabschieden.

Ein Kontrast, der kaum größer sein könnte.

Da ist zum Beispiel Frédéric Doucet, ein Koch mit Feuer im Herzen und Sternen im Blick. Inmitten des sanften Hügellands von Charolais hat er sich mit elf Köchen umgeben – eine kulinarische Kompanie, die in perfektem Gleichklang arbeitet. Alles ist vorbereitet, alles optimiert. Das Ziel: endlich die zweite Michelin-Stern. Der Countdown läuft, die Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Denn wer einmal im Rennen ist, will nicht nur mitlaufen – er will gewinnen.

Doch nicht alle wollen noch mithalten.

Nur rund 100 Kilometer südlich, nahe Roanne, hat Thierry Fernandes für sich eine ganz andere Entscheidung getroffen. Nach 15 Jahren als stolzer Sterneträger reicht es ihm. Der Druck? Zu groß. Die Erwartungen? Zu einengend. Der Preis? Nicht nur finanziell, sondern auch menschlich hoch. Menüs für 90 Euro, die sich selbst seine Familie kaum leisten konnte. Er zog die Reißleine – und schrieb dem Guide persönlich. Er gibt seinen Stern zurück.

Ein Schritt, den manch einer für radikal hält – und der doch viel mit Freiheit zu tun hat.

Denn der Glanz der Michelin-Sterne hat auch Schattenseiten. Was einst als Ritterschlag galt, ist für viele längst zur Last geworden. Hohe Kosten, Personalmangel, ständige Bewertungen, der Druck zur Perfektion – für einige Gastronomen ist das kaum noch tragbar. Die Entscheidung, auszusteigen, ist oft ein Akt der Selbstbehauptung.

Fernandes jedenfalls blickt nach vorn. Gemeinsam mit seiner Frau will er ein neues Lokal eröffnen – ganz ohne Stern und Prestige. Einfach, ehrlich, bodenständig. Kochen ohne Korsett. Genuss ohne Etikett.

Und dann stellt sich unweigerlich die Frage: Was zählt mehr – die Anerkennung von außen oder das eigene Glück?

Natürlich: Der Guide Michelin bleibt eine Institution. Seine Bewertungen prägen Karrieren, füllen Restaurants, bringen internationale Aufmerksamkeit. Eine Auszeichnung gleicht einem Ritterschlag, einer Eintrittskarte in den Olymp der Gastronomie. Doch die Sterne sind nicht für jeden leuchtend – manche empfinden sie längst als Fessel.

Die Debatte ist nicht neu. Immer mehr Köche in Frankreich und weltweit kehren dem Michelin-System den Rücken. Einige freiwillig, andere unfreiwillig. Die Geschichte kennt Beispiele von Küchenchefs, die sogar psychisch daran zerbrachen. Ein Stern kann Auftrieb geben – oder erdrücken.

Und doch: Für Talente wie Doucet bleibt der Traum bestehen. Der zweite Stern wäre für ihn nicht nur Bestätigung, sondern auch Ansporn. Ein Beweis dafür, dass sich Leidenschaft und Perfektion lohnen. Dass der Weg in den Himmel der Gastronomie möglich ist – auch wenn er hart ist.

Zwei Köche, zwei Wege – und dazwischen eine Branche, die sich neu sortiert.

Die Haute Cuisine steht an einem Wendepunkt. Der Wandel ist spürbar: weg von Statussymbolen, hin zu Menschlichkeit, Regionalität, Nachhaltigkeit. Sterne allein genügen nicht mehr. Es geht um Identität, um Haltung, um das, was man Gästen wirklich mitgeben möchte.

Und vielleicht ist das die schönste Entwicklung: Dass Kochkunst wieder mehr mit Herz als mit Hochglanz zu tun hat.

Von Catherine H.

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!